Boeing rüstet den «Jumbo» auf
Nicht erst die Tests des neuen Großraum-Airbus haben Boeing auf die Idee gebracht, das Modell 747 zu erneuern. Der A380 sei aber gar keine richtige Konkurrenz für den «Jumbo», sagte Projektleiter Peace der Netzeitung.
Von Kai Makus, Frankfurt am Main
Nein, eine technische Spielerei oder der Traum eines kleinen Jungen sei der A380 nicht, sagt der gelernte Flugzeugingenieur. «Technisch faszinierend» findet Jeff Peace das neue Modell des schärfsten Konkurrenten. «Nur: Es rechnet sich einfach nicht», meint er im Gespräch mit der Netzeitung. Peace ist beim US-Hersteller Boeing für die Erneuerung des Modells 747 verantwortlich.
Die Wirtschaftlichkeit sei auch der Grund dafür, dass Boeing nicht einen ganz neuen «Jumbo» entworfen, sondern den alten quasi runderneuert hat – mit den technischen Erfahrungen, die bei der Entwicklung des Modells 787 «Dreamliner» gemacht wurden. Eine komplette Neuentwicklung hätte nach Einschätzung von Boeing «zu hohe Investitionen» verschlungen, die sich später kaum ausgezahlt hätten – selbst wenn eine Modellreihe wie der neue «Jumbo» 20 bis 30 Jahre lang angeboten werden soll.
Konkurrenz zum A380 – oder auch nicht
Hintergrund ist, dass die beiden Erzrivalen unterschiedliche Entwicklungen im globalen Flugverkehr unterstellen. Zwar erwarten beide, dass die Passagierzahlen in den kommenden Jahren steil anwachsen werden. Während Airbus das größte Plus im Verkehr zwischen den großen Drehkreuzen des globalen Luftverkehrs erwartet, rechnet Boeing damit, dass der Direktverkehr zwischen den Flughäfen weitaus stärker zunehmen wird. Airlines, die den A380 einsetzen wollen, werden die Maschinen daher kaum füllen können, ist Peace überzeugt. Und mit nicht ausgelasteten Maschinen lässt sich in einer Branche mit scharfem Konkurrenzkampf kein Gewinn machen.
Dennoch dient Peace seinen Kunden die neue Version, deren vollständiger Name 747-8 lautet, nicht als Konkurrenz zum A380 an – zumindest, wenn es um die Passagierversion geht. Hier hat Airbus mit einem Fassungsvermögen von 550 Fluggästen die Nase um rund 100 Passagiere uneinholbar vorn. Bei der Frachtversion ist das anders: Durch Veränderungen im Design und bei den verwendeten Materialien könne der neue «Jumbo» mehr Fracht fassen als die Vorgängerversion. Und das bei niedrigerem Verbrauch und damit geringeren Kosten, wirbt der Manager. «Und: Der Frachtverkehr in der Luft wird prozentual noch stärker zulegen als der Passagiertransport.»
Noch keine Passagiermaschine bestellt
Die Nachfrage von Frachtgesellschaften war es auch, die die Weiterentwicklung der 747-400 angeschoben hat. Derzeit wird laut Boeing etwa die Hälfte der weltweiten Luftfracht von Maschinen des US-Herstellers transportiert. So ist denn auch der Frachter bislang das einzige Modell, für das bei Boeing schon feste Bestellungen eingegangen sind. Ist die Konkurrenz durch den großen Airbus doch zu stark? «Wir werden bald die erste Order für die Passagierversion erhalten», gibt sich Peace überzeugt. Einige Kunden stünden bereits «kurz vor einer Entscheidung».
Diese werde «noch in diesem Jahr» und für «mehr als eine Maschine» fallen, fügt er selbstbewusst an. 18 Frachter sind schon von den Cargo-Gesellschaften NCA und Cargolux bestellt, ohne dass das Flugzeug überhaupt fertig ist. Ausgeliefert wird die Fracht-Variante ab 2009, im Jahr später soll die Passagierversion an die Kunden gehen. Der Listenpreis dürfte zwischen 260 und 280 Millionen Dollar liegen – allerdings sind Rabatte in der Branche üblich, um Kunden an sich zu binden und sie zu mehr Käufen anzuregen.
Weiter will sich Peace zum Thema auch auf Nachfrage nicht äußern. Der Kunde könne eine europäische oder eine asiatische Airline sein, prophezeit er – kein sonderlich wertvoller Hinweis auf der Erstbesteller, schließlich sitzen auf diesen beiden Kontinenten nach Einschätzung von Boeing genau die Kunden, an die der US-Konzern heran will.
Sparsam im Verbrauch
Und diese Kunden werden nach Auffassung von Boeing angesichts des hohe Ölpreises dasselbe tun, das inzwischen auch viele Autofahrer machen: Auf den Verbrauch achten. Hier sieht sich der US-Hersteller um 20 Prozent im Vorteil gegenüber dem A380. Allerdings sind solche Modellrechnungen durchaus mit Vorsicht zu genießen. Sitzen 100 Menschen mehr im A380 als in den neuen «Jumbo» überhaupt hineinpassen, relativieren sich die Unterschiede im Spritverbrauch schon wieder.
Bei der Entwicklung der neuen 747 hat Boeing vor allem von den Erfahrungen beim «Dreamliner» profitiert. Mehr Reichweite, weniger Wartungskosten sowie weniger Verbrauch und damit weniger Schadstoffausstoß, lauteten die Leitlinien Boeings bei der Entwicklung der 787. Bei der neuen 747 komme noch die Devise «mehr Passagiere» hinzu, die Platz finden, erläutert Peace. Die neuen Triebwerke sorgten nicht nur für geringeren Verbrauch, sondern ermöglichten auch die Vergrößerung der Ausmaße der Maschine.
Ein «ganz neuer Flügel»
Auch ein «ganz neuer Flügel» trage zum geringeren Verbrauch bei – das einzige allein für die 747-8 entwickelte Flugzeugteil. Ansonsten sei der neue Jumbo «das Beste der 747 verschmolzen mit den Entwicklungen der 787». Viele Dinge hat Boeing indes bewusst so unverändert wie möglich belassen: Die Cockpits der alten und der neuen Version seien sich so ähnlich, dass eine aufwendige Schulung der Piloten entfalle. Und: Die entscheidenden Abmessungen haben sich so wenig geändert, dass die bestehende Infrastruktur der Flughäfen weiter verwendet werden kann. Der Bau teurer neuer Wartungshallen oder gar Rollbahnen, der teilweise für den A380 notwendig ist, entfällt.
Wie auch Konkurrent Airbus hat Boeing der Innenausstattung der neuen Maschinen besondere Aufmerksamkeit gewidmet. «Weil es die Kunden wollen», sagt Peace. Vor allem die etablierten Gesellschaften brauchen schließlich ein Unterscheidungsmerkmal, damit die Kunden zu ihnen kommen und nicht mit Billig-Anbietern fliegen. Derzeit betrete der Passagier die 747 «durch die Küche» – wenig gastlich, findet Peace. Darum habe sein Unternehmen nun eine richtige «Haustür» eingebaut, wo der Fluggast empfangen wird.
Zugang zum Internet ist Standard
Was noch alles möglich ist, zeigt der Manager in einer Präsentation: Ein so genanntes Skyloft könne als zusätzlicher Raum eingebaut werden, erläutert er. Denn im Raum über der Economy-Class seien die Kabel in der neuen Version so Platz sparend verlegt worden, dass hier je nach Käuferwünschen Business-Lounges, aber auch Schlafstätten für die erste Klasse oder auch Computer-Arbeitsplätze eingebaut werden können.
Dass Zugang zum Internet vorhanden ist, gilt für die neuen Großraumflugzeuge schon als Selbstverständlichkeit. Allerdings wird es ein Loft ohne Fenster werden: Die Verkabelung bedeckte die Außenhülle von innen so vollständig, dass keine Öffnungen hinein geschnitten werden können.
«Erst testen, dann an die Öffentlichkeit»
Für den Medienhype um den neuen Großraum-Airbus hat Peace nur ein verschmitztes Lächeln übrig. «Die Welt interessiert sich nun mal dafür», sagt er lakonisch.
Für ihn ist eine solche Beteiligung der Öffentlichkeit an den Tests eines neuen Flugzeugmodells, wie es sie derzeit in Deutschland, aber auch im zweiten Airbus-Stammland Frankreich gibt, kaum vorstellbar. Sein Unternehmen werde in der nächsten Phase des 747-Projekts jedenfalls am bewährten Schema festhalten: «Erst testen, dann an die Öffentlichkeit.»
http://www.netzeitung.de/spezial/global ... 89740.html