Ein Jahr nach dem Erstflug: Airbus A380 steht vor Alltagstest Von Heiko Stolzke, dpa
Hamburg/Toulouse (dpa) - Ein Jahr nach seinem Jungfernflug am 27.
April 2005 nimmt der Airbus A380 Kurs auf den kommerziellen Einsatz.
Startkunde Singapore Airlines will im Spätherbst die ersten A380-Jets
übernehmen und wirbt seit Monaten mit dem Slogan «First to fly the
A380 in 2006 - Wir fliegen 2006 die A380 als Erster». Gegenüber dem
anspruchsvollen asiatischen Kunden kann sich Airbus weitere
Verzögerungen bei der A380-Erstauslieferung kaum erlauben.
Trotz des Termindrucks steht Sicherheit an erster Stelle. Das
Versuchsprogramm bis zur Zulassung durch die Luftfahrtbehörden
umfasst rund 2500 Flugstunden und zahlreiche Probeläufe am Boden.
«Derzeit machen wir mit jedem Flugzeug zwei Testflüge pro Tag»,
beschreibt Airbus-Chefpilot Claude Lelaie im Frühjahr 2006 den
straffen Zeitplan.
Zwei Airbus A380, vollgepackt mit Messtechnik, absolvieren zum
Beispiel ein Flugprogramm bis an die Grenzen der Belastbarkeit.
Lelaie und sein Team beschleunigen die 73 Meter langen Jets bis fast
auf Schallgeschwindigkeit, prüfen das Verhalten im extremen
Langsamflug oder Systemausfälle. Die Testpiloten gehen weit über
Grenzen des späteren Linieneinsatzes hinaus.
Zwei weitere A380-Versuchsflugzeuge stehen im Zentrum der
Kabinenerprobung: Beim Evakuierungstest am 26. März retteten sich 873
Passagiere und Besatzungsmitglieder in knapp 80 Sekunden aus dem
Flugzeug - damit stellte Airbus einen neuen Weltrekord auf. Weniger
spektakulär geht es in den kommenden Wochen zu: Die Flugzeuge
bekommen eine Kabinenausstattung mit Platz für rund 550 Passagiere
eingebaut. Mit Airbus-Mitarbeitern an Bord geht es dann erstmals auf
Reiseflüge, um Waschräume, Küchen oder Unterhaltungssystem in der
Praxis auszuprobieren.
Airbus-Konkurrent Boeing entschloss sich im Herbst 2005 zum Bau
der weiter entwickelten Jumbo-Version Boeing 747-8. «Die 747-8 wird
die Technologien der 787 verwenden, um die Kapazität zu erhöhen und
die Wirtschaftlichkeit zu verbessern», sagte Alan Mulally, Chef der
Boeing-Zivilflugzeugsparte beim Programmstart. Damit verfolgt der US-
Konzern eine ähnliche Strategie wie schon bei der kleineren Boeing
737. Das Ursprungsmodell aus den späten 60er Jahren wurde mehrfach
modernisiert und wird heute als 737-Next-Generation verkauft.
Airbus schätzt den Markt für Flugzeuge in der Größenklasse der
A380 extrem lukrativ ein. Bis zum Jahr 2023 sieht der Hersteller
weltweit Bedarf für 1600 Jets im Gesamtwert von 416 Milliarden US-
Dollar. Bisher sind 159 A380 bestellt.
Verläuft die Flugerprobung weiterhin planmäßig, muss die A380
ihren kommerziellen Erfolg im kommenden Jahr auf einer besonders heiß
umkämpften Route erstmals unter Beweis stellen: Singapore Airlines
will den neuen Jet auf der so genannten «Känguru-Route» zwischen
Australien, Südostasien und Europa einsetzen. Dort gehen später auch
Emirates, Qantas und Virgin mit A380 an den Start.
Arbeitsplätze sind durch das industrielle Großprojekt nicht nur an
den Airbus-Zentren in Hamburg und Toulouse entstanden: Zahlreiche
Zulieferer verdienen weltweit an dem Flugzeugprojekt. So stammen zum
Beispiel die Notrutschen, über welche 873 Testpassagiere beim
Evakuierungstest flüchteten, vom amerikanischen Spezialisten
Goodrich.
Ein weiterer Wirtschaftsfaktor entwickelt sich mit dem Einsatz der
A380 im Liniendienst: Fluggesellschaften investieren bereits in
Wartungs- und Reparaturzentren für das Großflugzeug. So entsteht zum
Beispiel bei Erfurt eine hoch spezialisierte Wartungsbasis für A380-
Triebwerke als Gemeinschaftsunternehmen von Rolls Royce und
Lufthansa-Technik.
dpa st yyon aj/pi
http://www.capital.de/pu/607769.html