Wie Airbus das Vorzeigemodell 787 seines Rivalen Boeing auskundschaftet – und daraus für seine Flugzeuge lernt.
Als ehemaliger Luftlandesoldat kennt Airbus-Chef Thomas Enders die Bedeutung der Aufklärung. Dafür hat er eine Abteilung namens Engineering Intelligence (englisch für technischer Geheimdienst), die sich vor allem um den Erzrivalen Boeing kümmert. Das Team unter Führung des Deutschen Burkhard Domke war selbst intern kaum bekannt – bis kürzlich die Internet-Seite Flightblogger Dohmkes interne Präsentation „Boeing 787 Lessons Learnt“ online stellte. Dabei überraschte vor allem, was Domke alles weiß über die Probleme von Boeings Vorzeigemodell und die Gründe dafür, warum es mindestens zwei Jahre später auf den Markt kommt als geplant. „In dieser Präsentation präsentiert sich der Dreamliner genannte Traumflieger als Albtraum“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.
Wahrscheinlich mithilfe gemeinsamer Zulieferer und – teilweise fotokopierter – interner Boeing-Dokumente arbeitet der oberste Airbus-Aufklärer auf 46 Seiten drei Probleme heraus. Nur eines – der zu hohe Verbrauch der Triebwerke – liegt nicht in Boeings Verantwortung, sondern daran, dass die Hersteller ihre Ziele verfehlten. „Der Rest ist ein Lehrstück, wie man an den eigenen überzogenen Ambitionen scheitert“, sagt Experte Großbongardt.
Bei Boeing zu kühner Sprung bei der Technologie
Erstes Problem war ein offenbar zu kühner Sprung bei der Technologie. Die 787 besteht nicht nur als erstes Flugzeug überwiegend aus leichten Verbundwerkstoffen statt aus Metall. Erstmals werden auch die insgesamt zehn Sektionen in einem Arbeitsgang gefertigt, statt aus vielen Einzelteilen montiert. Doch die Maschinen brauchen dazu derzeit zehnmal länger als geplant.
Zweiter Hemmschuh: Mehr als zwei Drittel der Arbeit wurde an Zulieferer abgegeben. Die hatten offenbar weder die neue Technologie noch die Lieferketten und die Qualität im Griff – unter anderem, weil sie statt Fachleute angelernte Zeitarbeiter beschäftigten. So stockte immer wieder die Fertigung, weil Teile fehlten, und am Ende musste Boeing reihenweise falsche oder falsch montierte Teile ersetzen.
Einzeln hätte Boeing aus Sicht Großbongardt wohl jedes der beiden Probleme in den Griff bekommen: „Aber zusammen war es zu viel.“
Darum geht Airbus bei seinem Konkurrenzmodell für die 787, dem A350XWB, auch deutlich vorsichtiger zu Werke. Der Hoffnungsflieger besteht zwar auch zur Hälfte aus Verbundwerkstoffen. Doch er wird nicht in wenigen Stücken gefertigt, sondern wie bisher aus Einzelteilen zusammengesetzt. Gleichzeitig behält Airbus die Hälfte der Arbeit im Unternehmen. Und der Rest geht zu einem großen Teil an jene Werke, die Airbus 2008 an Investoren verkauft oder in separate Tochtergesellschaften ausgegliedert hat.
Die Präsentation soll jedoch nicht nur Airbus helfen, Fehler zu vermeiden. Sie ist auch eine Form der psychologischen Kriegsführung. Die Auswertung kratzt am Ruf von Boeing bei Analysten und Kunden in den laufenden Ausschreibungen. Und die sind angesichts der Krise besonders schwierig. Darüber hinaus drückt sie wohl auch auf die Moral der BoeingMitarbeiter. „Vielen“, so ein Boeing-Manager, „ist erst jetzt das Ausmaß der Probleme klar.“
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