Airbus verzögert Start des neuen A350
Der europäische Flugzeughersteller Airbus zögert die endgültige Entscheidung über den Bau seines neuen Langstreckenmodells A350 um fast vier Monate hinaus. Der Start des Milliardenprojekts wird nicht, wie in der Branche erwartet worden war, auf der am Montag beginnenden weltgrößten Luftfahrtmesse in Le Bourget bei Paris bekanntgegeben.
Wie die Airbus-Muttergesellschaft EADS am Mittwoch mitteilte, soll der Programmstart jetzt bis Ende September erfolgen. Bis dahin sollen die industriellen Strukturen optimiert werden. Wie ein EADS-Sprecher sagte, "wollen wir vor dem Programmstart noch alle Hausaufgaben machen".
Der zweistrahlige A350 ist in zwei Versionen für 245 und 285 Passagiere geplant und das Konkurrenzprodukt zur neuen Boeing-Flugzeugfamilie 787 Dreamliner. Mit dem zeitlichen Abbremsen des A350-Projekts wird deutlich, dass Airbus bei der Bewältigung der bereits gestarteten Großprojekte an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen ist. Derzeit werden der Riesen-Airbus A380, dessen Frachterversion sowie der Militär-Airbus A400M entwickelt. Gleichzeitig wird die Produktion deutlich ausgeweitet. Airbus hatte jüngst einräumen müssen, dass sich die Auslieferung des A380 um bis zu sechs Monate verzögert. Dies führte bei den Erstkunden zu großer Verärgerung. Einige Fluggesellschaften drohten Schadensersatzforderungen an. Eine solche Blamage will Airbus beim A350 verhindern. Zudem gibt es bei Airbus und dem EADS-Mutterkonzern eine Reihe ungelöster Fragen über die künftige Besetzung des Managements. Zwischen den USA und Europa ist zudem umstritten, wie viel staatliche Förderung dem A350 gewährt werden darf.
Branchenkenner verweisen auch darauf, dass die seit Anfang Dezember laufende Verkaufskampagne für das A350-Modell schleppend verlief. Bislang wurden erst zehn Maschinen bestellt. Auf der Luftfahrtmesse sollen Marktgerüchten zufolge zwar Aufträge für weitere rund 100 Maschinen bekannt gegeben werden, darunter 50 Maschinen für die Fluggesellschaft Emirates. Dennoch stoße die Maschine nicht auf die erhoffte Resonanz, heißt es. So konnte Boeing in diesem Jahr alle Verkaufskampagnen zwischen dem A350 und der 787 für sich entscheiden. Der US-Konzern geht davon aus, dass er 2005 erstmals seit 2000 wieder mehr Aufträge gewinnt als der europäische Rivale. In den ersten fünf Monaten lieferte Airbus 153 Maschinen aus, 26 mehr als Boeing. Bei den Neuaufträgen liegt aber Boeing mit 255 Maschinen vor Airbus. Bei dem Wettbewerb der A350 gegen das US-Modell 787 kämpfen die Europäer zudem mit einem technischen Handikap: Die Boeing-Flugzeugfamilie 787 Dreamliner ist eine komplette Neuentwicklung, für die insgesamt Aufträge und Absichtserklärungen für 266 Maschinen vorliegen. Das Airbus-Modell A350 stellt hingegen eine modernisierte Version der Mitte des 1998 erstmals ausgelieferten A330-200 dar. Geplant sind ein neuer Flügel, neue Triebwerke und ein leichterer Rumpf. Die Entwicklungskosten werden bislang auf rund 4 Mrd. Euro geschätzt.
Boeing ist im Wettbewerb mit dem Airbus-Modell zeitlich im Vorteil, weil die ersten 787-Maschinen bereits 2008 an die Kunden ausgeliefert werden. Die ersten A350-Flugzeuge sollen den bisherigen Ankündigungen zufolge erst 2010 in Dienst gestellt werden. "Bisher liegt keine Änderung für diese Zeitplanung vor", sagte ein Airbus-Sprecher am Mittwoch. Den Gesamtmarkt der zweistrahligen Langstreckenjets veranschlagt Airbus auf rund 3500 Flugzeuge in den nächsten 20 Jahren. Dabei kann es je nach Konjunkturentwicklung noch Änderungen geben. So legte Boeing am Mittwoch eine neue Langfristprognose für den Flugzeugmarkt vor. Binnen 20 Jahren erwartet der US-Konzern jetzt eine Nachfrage über 25.700 Maschinen für 2100 Mrd. $. Damit erhöhte der Konzern seine vor einem Jahr erstellte Prognose leicht um 700 Maschinen oder 100 Mrd. $. Durchschnittlich werde die Zahl der Passagiere pro Jahr um 4,8 Prozent steigen. Boeing geht davon aus, dass vor allem kleinere Flugzeuge mit einem Mittelgang den stärksten Zuwachs verzeichnen. Der US-Konzern geht davon aus, dass es künftig mehr Punkt-zu-Punkt-Flugverbindungen gibt, und sieht die Absatzchancen für sehr große Maschinen weniger optimistisch als Airbus. Bei der Partnersuche des europäische Flugzeugbauers für eine US-Fertigung von Airbus-Tankerflugzeugen zeichnet sich jetzt immer deutlicher eine Entscheidung zu Gunsten des US-Konzerns Northrop Grumman ab. Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" soll es Vorverträge geben. Ein EADS-Sprecher wollte dies nicht kommentieren.
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