Boeing startet den XL-Jumbo
Monatelang wurde spekuliert, nun ist die Entscheidung gefallen: Der US-Flugzeugbauer will sein Traditionsmodell 747, den berühmten Jumbo-Jet, modernisieren. Die neue Variante soll größer, leiser und sparsamer sein und so dem Airbus A380 Konkurrenz machen.
Hamburg - Eine Zeitlang sah es so aus, als würde und müsste Boeing den Markt für Großraumflugzeuge kampflos dem Konkurrenten Airbus überlassen. Jahrelang wurde in den Konzernzentralen in Seattle und Chicago darüber nachgesonnen, ob man eine neue Version der legendären 747 starten und damit auf den Megaliner A380 antworten sollte. Während die Boeing-Chefs vor sich hin überlegten, gingen die Bestellungen für 747 so weit zurück, dass die Modell-Linie praktisch bedeutungslos wurde. Die 747, so schien es, würde bald offiziell eingestellt werden, so wie Boeing zuvor schon Produktlinien wie die 717 und die 757 beerdigt hatte.
Diesen Gefallen hat Boeing den Rivalen in Hamburg und Toulouse nicht getan. Am Abend amerikanischer Zeit gab das Unternehmen in Chicago bekannt, dass der neue, größere Jumbo-Jet gebaut werden soll. Boeings Ziviljet-Vorstand Alan Mulally zeigte sich "begeistert", dass die "stolze und wertvolle 747-Flugzeug-Familie" in eine neue Generation gehe.
Zuvor hatte Boeing Aufträge von zwei Frachtlinien einsammeln können. So bestellt Cargolux aus Luxemburg zehn Maschinen des neuen, 747-8F genannten Typs und ließ sich Kaufoptionen für zehn weitere einräumen. Die japanische Nippon Cargo orderte ebenfalls zehn 747-Frachtjets und übernahm Optionen für weitere sechs. Der Listenpreis für beide Bestellungen summiert sich laut Boeing auf rund fünf Milliarden Dollar. Die ersten Maschinen sollen den Kunden Ende 2009 zugehen.
"Den A380 in eine noch kleinere Nische boxen"
Boeing will auch eine Passagiervariante des neuen Jumbo-Modells anbieten, die den Namen 747-8 Intercontinental tragen wird. Diese Weiterentwicklung soll 3,6 Meter länger sein als die bisherige 747-400 (70,7 Meter) und 34 zusätzliche Sitzplätze fassen - sie bietet damit Raum für 450 Passagiere. Im Airbus A380 haben in der Grundvariante 555 Fluggäste Platz, er lässt sich aber auch für 800 bestuhlen.
Der wichtige und entscheidene Makel dieses Programms: Noch hat Boeing keinen Kunden zum Kauf der Intercontinental überreden können. Zahlreiche Fluggesellschaften, darunter die Lufthansa, gelten aber als Jumbo-Fans und haben Boeing lange ermuntert, eine reformierte Version auf den Markt zu bringen.
Boeing rührt schon kräftig die Trommel und behauptet, der Intercontinental-Jumbo werde 20 Prozent sparsamer fliegen als der Großraumairbus. Sie soll ähnlich effiziente und leise Turbinen von General Electric erhalten wie der geplante Mittelstreckenflieger 787 Dreamliner, der sich als Bestseller bei Airlines entpuppt hat. Zudem werde der neue Jumbo mit leichteren Tragflächen versehen, hieß es.
Wie sich Boeing selbst widerspricht
Die 747 ist erstmals im Jahr 1970 gestartet und hat mehrere Neugestaltungen hinter sich gebracht. Airbus will sein größeres Konkurrenzmodell im kommenden Jahr erstmals an Kunden ausliefern und hat bisher 159 Bestellungen eingesammelt - weniger, als für das Erreichen der Gewinnschwelle nötig ist.
Der Analyst Richard Aboulafia sagte der Nachrichtenagentur AP, dass der offizielle Programmstart für den XL-Jumbo den Druck auf Airbus erhöhe. Der ohnehin schon kleine Markt für den A380 werde dadurch schrumpfen: "Das hilft, den A380 in eine noch kleinere Nische zu boxen."
Trotz alledem wirkt Boeings gestrige Ankündigung auch erstaunlich und widersprüchlich. Bei fast jeder Gelegenheit predigen die Manager des US-Konzerns, die Ära der Großflugzeuge, die über 400 Passagiere von einem Mega-Flughafen zum anderen transportieren, sei vorüber.
Erst vergangene Woche versuchte Boeing-Marketingmann Stephen Ford bei einem Auftritt in Hamburg mit Charts zu belegen, dass die Zukunft kleineren Langstreckenflugzeugen wie der 787 und der 777 gehöre, die direkt zwischen Airports verkehren können und Umsteigeverbindungen in Hubs wie Heathrow überflüssig machen. Wenn das stimmt, wäre aber nicht nur der A380 eine Fehlinvestition - sondern der neue Jumbo ebenso.
So ganz sicher scheint sich Boeing in seinen eigenen Prognosen nicht zu sein.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,385042,00.html