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 Betreff des Beitrags: Eine Kreuzfahrt am Himmel
BeitragVerfasst: Freitag 13. Januar 2006, 13:40 
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Eine Kreuzfahrt am Himmel

Mit Flugzeugen, die aus nur einem Flügel bestehen, soll man in 25 Jahren bequem reisen können

Denis Dilba



Was da in der Werkstatt der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) auf Holzstützen aufgebockt ist, sieht auf den ersten Blick aus wie ein Plattfisch mit Flügeln. Zwei Turbinen und zwei Seitenleitwerke lassen aber erkennen, dass es sich bei dem Gefährt um ein Flugzeug handelt - genauer gesagt um einen Nurflügler. AC20.30, so der Name des futuristisch anmutenden Fliegers, ist eines der ersten flugfähigen Modelle dieses Typs. Für den Projektleiter Werner Granzeier verkörpert der Entwurf im Maßstab 1:30 den Flugzeugtyp der Zukunft.



Das Kunstharzmodell hat fast nichts mehr gemein mit der Standardkonfiguration eines normalen Flugzeugs mit langgestrecktem Röhrenrumpf und einem Höhen- und Seitenleitwerk am Heck. Spätestens im Jahre 2030 soll der AC20.30, so hoffen seine Entwickler, die heute übliche Flugzeugform ablösen; daher haben sie diese Jahreszahl gleich in seinen Namen integriert.



Seit dem Bau des Jumbojets Ende der 60er-Jahre haben Ingenieure keinen grundlegend neuen Flugzeugtyp entworfen, sondern die bewährten Flieger verbessert. Durch Glas- und Kohlefaser-Verbundstoffe haben sie zum Beispiel Gewicht eingespart, und die Triebwerke wurden aerodynamischer und leistungsfähiger konstruiert. Doch Granzeier glaubt, dass das Potenzial langsam ausgereizt ist - vor allem im Hinblick auf die Größe der Flugzeuge. "Mit dem Bau des Airbus A380 hat man die Grenze des physikalisch Machbaren erreicht", sagt er. "Auch mit neuen Werkstoffen wird man solche Flugzeuge nicht größer bauen können." Dass man in Zukunft Großraumflugzeuge benötigen wird, die noch mehr Passagiere befördern als bisher, wird kaum angezweifelt. Fluglinien und die Luftfahrtindustrie erwarten in den kommenden 15 bis 20 Jahren eine Verdreifachung des Luftverkehrs.



Der AC20.30 könnte dieses Problem lösen: Er hat eine Spannweite von 96 Metern und soll einmal in seinem riesigen Rumpf bis zu 900 Passagieren Platz bieten. Das wäre nicht der einzige Vorzug gegenüber der konventionellen Form. Denn dem Nurflügler fehlt der röhrenförmige Rumpf und das - Höhenleitwerk genannte - zweite, kleine Flügelpaar am Heck. Rumpf und Höhenleitwerk sind aus aerodynamischer Sicht überflüssig und bremsen sogar. Aerodynamiker schätzen, dass der Nurflügler wegen seines geringeren Luftwiderstands weniger Treibstoff verbrauchen würde als der A380, der für jeden Passagier auf hundert Kilometer drei Liter Kerosin benötigt. Zudem könnte der Nurflügler den bisherigen Langstreckenrekord von 21 601 Kilometer übertreffen.



Die tragende Struktur des Nurflüglers kann auch filigraner ausfallen als bei normalen Flugzeugen. Denn der Auftrieb zerrt bei ihm nicht wie sonst an den Flügeln, sondern wirkt - gleichmäßig verteilt - auf den gesamten Rumpf. Auf diese Weise können Gewicht und damit auch zusätzlich Treibstoff eingespart werden. Trotz der Größe der Flugzeuge müssten die Start- und Landebahnen der Flughäfen nicht verlängert werden. Denn der Nurflügler erzeugt beim Start genügend Auftrieb, um mit den herkömmlichen Pisten auszukommen. Und für die Landung hat er vergleichsweise große Landeklappen.



Bei diesen Vorzügen ist es erstaunlich, dass der Nurflügler noch nicht am Himmel erschienen ist. Denn neu ist das Konzept nicht, Aerodynamiker träumen schon seit fast hundert Jahren davon. Aber der einzige Nurflügler, der bislang gebaut wurde, ist der US-Tarnkappenbomber B2. Das größte Problem ist, dass Nurflügler aerodynamisch instabil sind: Damit sie sich in der Luft halten, muss eine ausgeklügelte Elektronik ihre Fluglage durch Ruder- und Klappenbewegungen ständig ausbalancieren. Die B2 wurde nur genehmigt, weil die Sicherheitsstandards für Militärmaschinen nicht so streng sind wie für Passagierflugzeuge.



Doch inzwischen arbeiten mehrere Forscherteams daran, Nurflügler in der Luft besser kontrollieren zu können. Die US-Raumfahrtbehörde Nasa experimentiert bereits seit den 90er-Jahren mit flugfähigen Modellen und auch der Flugzeugbauer Boeing will einen solchen Jet entwickeln. Die Nasa-Experten gehen davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Elektronik so zuverlässig arbeitet, dass man das Wackeln der Nurflügler in den Griff bekommt. Bis es soweit ist, dürften aber noch 15 bis 20 Jahre vergehen, schätzt Oliver Drescher, Mitglied im Hamburger AC20.30-Projekt. "Fliegen wird der AC20.30 aber auf jeden Fall", sagt er.



Der Aerodynamiker hat mit seinen Kollegen vor einigen Wochen Auftrieb, Luftwiderstand sowie Flugstabilität und Steuerbarkeit des Nurflügler-Prototypen in einem Windkanal untersucht. Dabei wird das Modell in einen von einem Gebläse erzeugten Luftzug gebracht. Indem man die Geschwindigkeit der anströmenden Luft variiert, können alle Phasen des Flugs vom Start bis zur Landung simuliert werden. Luftwirbel und störende Strömungen am Flugzeugrumpf werden mit Rauch oder mit fluoreszierendem Öl unter UV-Licht sichtbar gemacht. Drescher ist mit dem Testresultat zufrieden: "Unser Modell fliegt stabiler als gedacht", sagt er. Doch die Ergebnisse könne man nicht eins zu eins auf ein Flugzeug in voller Größe übertragen. Es werden noch viele Tests nötig sein.



Drescher sieht den Nurflügler der Zukunft vor allem als Großraumtransporter. Doch sein Chef Granzeier schwärmt von einem Passagierflugzeug der Superlative. Er hat sich auch schon über die Innenausstattung des Airliners Gedanken gemacht. "Das wird ein vollkommen anderes Reisen sein", verspricht er. Auf zwei Decks verteilt finden sich in den Entwürfen statt der bisher üblichen engen Sitzreihen großzügig geschnittene Restaurants und Kinos, sogar Fitnessräume und Duschen. Breite Gänge führen in die unterschiedlichen Klassen. "Das Interieur wird eher an ein Kreuzfahrtschiff erinnern", sagt Granzeier.



Damit diese Vision verwirklicht werden kann, muss vor allem eine Sicherheitsfrage beantwortet werden: Wie schafft man es, 900 Passagiere innerhalb von 90 Sekunden aus der riesigen Maschine zu bringen - selbst wenn die Hälfte der dafür vorgesehenen Türen blockiert sein sollte? Dieses Zeitlimit schreibt die internationale Flugaufsicht, die Federal Aviation Administration (FAA), für jedes Flugzeug vor. Granzeiers Mitarbeiter haben das Problem zumindest theoretisch schon gelöst: In einer Computersimulation kamen alle virtuellen Passagiere rechtzeitig von Bord.



http://www.berlinonline.de/berliner-zei ... 16718.html


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