Flugzeuge erzählen in Berlin Geschichte
30. Mai 2005 Elegant wie ein überdimensionaler Bumerang hängt der 16,50 Meter breite Flügel unter der Decke der Ausstellungshalle. Aerodynamik in ihrer reinsten Form, nichts außer einem zierlichen Fahrwerk mit zwei separat angebrachten Rädern störte die Luftströmung. Der Nurflügler Horten Ho II L "Habicht" von 1937 gehört zu den vielen, teilweise weltweit einmaligen Glanzstücken der Ende April eröffneten neuen Luftfahrtausstellung des Deutschen Technikmuseums am Berliner Landwehrkanal. Die Brüder Reimar und Walter Horten aus Bonn bauten bereits 1933 das erste Nurflügelflugzeug der Welt, mit dem ein stabiler Geradeausflug möglich war.
Die ausgestellte Horten "Habicht" ist die einzig erhaltene von fünf gebauten Exemplaren, und die Geschichte ihres Weges in die neue Ausstellung ist so kompliziert wie die der meisten vierzig Großexponate. In den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts nahm der elegante Motorsegler an Flugschauen und Wettbewerben teil, später diente er als Versuchsflugzeug. Nach Kriegsende brachten die amerikanischen Streitkräfte das Flugzeug zu technischen Untersuchungen nach Kalifornien, später in die Lagerhallen des National Air and Space Museum in Washington DC. Im Rahmen einer Kooperation mit den amerikanischen Kollegen restaurierten die Berliner Museumsmitarbeiter ab 1994 vier deutsche Nurflügler und durften im Gegenzug die "Habicht" behalten.
Rosinenbomber an der Museumsfassade
Die mehr als sechstausend Quadratmeter große Schau, die zweihundert Jahre deutscher Luftfahrtgeschichte vom Ballonfahren bis hin zur Berliner Luftbrücke abdeckt, warf seit Jahren ihre Schatten voraus. Bereits 1966 erhielt sie mit einer jetzt erst öffentlich gezeigten Junkers Ju-52 ihr erstes Exponat, seit Jahren steht der Museumsneubau am Landwehrkanal bereit, schon 1999 zog hier die "Tante Ju" ein, und ein "Rosinenbomber" schwebt seitdem an einer filigranen Aufhängung spektakulär draußen an der Museumsfassade.
Seit 1985 kümmert sich Abteilungsleiter Holger Steinle unermüdlich um den Aufbau der Sammlung als Verwirklichung eines Lebenstraums. Jeden Sommer ist der Professor und Flugzeug-Archäologe zwischen Norwegen, Leipzig und dem Jemen unterwegs, um historische Flugzeugwracks aufzuspüren und ihre Reste nach Berlin zu holen. Er sieht seine Schau in der Tradition früherer Berliner Luftfahrtsammlungen, denen er sich auch in der neuen Ausstellung ausführlich widmet. Da ist zum Beispiel der Nachbau der Fliegerkneipe und der Aviatischen Ausstellung zu sehen, die Franz Tolinski 1912 am Berliner Flugplatz Johannisthal eingerichtet hatte. "Johannisthal war damals so was wie ein Silicon Valley der Luftfahrt, viele Geheimnisse des Fliegens waren noch nicht erforscht", sagt Steinle bei einem Rundgang. Diese und andere Sammlungsanfänge mündeten 1936 in die Deutsche Luftfahrtsammlung auf dem Gelände des heutigen Bundeskanzleramtes, dem damals größten Luftfahrtmuseum der Welt mit mehr als hundertzwanzig Flugzeugen und Großobjekten, darunter als Prunkstück das legendäre zwölfmotorige Flugboot Do-X. Als 1943 Bomben das Museum schwer beschädigten, waren die meisten Exponate ausgelagert - und sind bis heute verschollen. Die Do-X war zu groß für eine Evakuierung. Ihre metallenen Überreste wurden 1946/47 zu Küchentabletts und Aluminiumstangen verarbeitet, die jetzt als letzte erhaltene Einzelteile des Flugboots wieder in Berlin zu sehen sind, neben einem Großmodell des damaligen Museums und seiner Sammlung.
Flugzeuge für den Krieg
Der Rundgang durch die acht chronologisch gegliederten Bereiche der neuen Ausstellung auf zwei Etagen zeigt, wie die Fliegerei bald ihre Unschuld verlor und Flugzeuge zu Kriegsinstrumenten wurden. Insgesamt dominieren militärische Fluggeräte in verschiedenen Zuständen des Erhalts die Hallen der Luftfahrtausstellung, die zivilen Höhepunkte muß der Besucher an manchen Stellen geradezu suchen. "Der Grund dafür ist klar", sagt Holger Steinle, "zwischen 1909 und 1945 wurden etwa 220 000 Flugzeuge gebaut, und davon waren nur zehntausend für zivile Zwecke bestimmt." So oder so bietet die Berliner Ausstellung einen erhellenden und raren Einblick gerade in die deutsche Rolle in der Entwicklung der Luftfahrt.
Frankfurter Allgemeine
Das Deutsche Technikmuseum ist nach seinem Umbau wirklich einen Besuch wert. Das kann ich aus eigner Anschauung berichten.
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