Jubel und Wut nach der Premierenlandung
Tausende Hamburger haben heute die erste Landung des A380 in der Hansestadt bejubelt, allen voran die Airbus-Mitarbeiter, die ihre Jobs durch den Superflieger gesichert sehen. Doch in den Nachbardörfern der Luftwerft klingt der Ärger auch nach der Premiere nicht ab.
Hamburg-Finkenwerder - "Behüte uns vor dem Sturm, Krieg und Ungemach und vor'm A380 im Garten und über'm Dach." Als das Beten noch half, schnitzen einige Bewohner von Neunfelde ihre Bitten ins Holz und hängten die Holzstücke an die Zäune am Haus. Diese Bitten hängen immer noch am Zaun, doch geholfen haben sie nicht. Der erste A380 ist heute über die Dächer von Neuenfelde geflogen und legte seinen Schatten auf die Straßen des Ortes.
Bewohner von Neuenfelde haben zwar in einem jahrelangen Streit mit Airbus und dem Hamburger Senat erreicht, dass eine Verlängerung der Landebahn in Richtung ihres Dorfes vorerst eingestellt wurde. Doch die Landepremiere wird von Airbus und dem Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) quasi als ein Garant für die zukünftigen Projekte von Airbus gedeutet - Landebahnverlängerung eingeschlossen.
"Für viele, auch für mich ist heute ein Traum wahr geworden", sagte von Beust, nachdem er die Piloten der Maschine begrüßt hatte. Über 5000 Arbeitsplätze entstünden in der Region, dank des Airbus-Projekts, außerdem entwickele sich Hamburg mit dem A380 zu einer bedeutenden Stadt für Technikindustrie.
Wie bedeutend der A380 ist, das war schon heute deutlich zu sehen. Auf dem Neß-Hauptdeich, der parallel zur Landebahn verläuft, hatten sich Tausende Neugierige versammelt, auf Campingstühlen, mit Ferngläsern und Fotokameras ausgerüstete harrten sie seit dem frühen Vormittag aus, um den Riesenvogel aus der Nähe zu sehen.
"Ich habe bei Airbus angefangen zu arbeiten, als Achtsitzer hergestellt wurden. Nach vierzig Jahren wollte ich mir die neueste Entwicklung auch nicht entgehen lassen", sagte der ehemalige Airbus-Mitarbeiter Dieter Scholz, der extra aus Neuhaus bei Cuxhaven angereist war. "Das ist ein Wahnsinn, dass so etwas gebaut wird, das wollte ich sehen", sagte Maria Heldt. Die 65-jährige Rentnerin kennt aber auch den Streit zwischen Airbus und den Gegnern der Landebahn in Neuenfelde. "Ich kann ja die Bauern verstehen. Aber hier hängen doch so viele Arbeitsplätze davon ab."
Arbeitsplätze - dieses Argument fiel oft am Tag der Landung. Der Airbus-Geschäftsführer in Deutschland, Gerhard Puttfarcken, sprach von "2300 Arbeitsplätzen" die bereits geschaffen seien. Ole von Beust erhofft sich die doppelte Zahl für die Zukunft und auch die Mitarbeiter von Airbus erwarteten den Flieger mit der Erinnerung an ihre Arbeitsplätze: "Wir begrüßen unsere Zukunft", stand auf einem Transparent, den sie dem Riesenvogel vor die Nase hielten. Vor einem Jahr haben sie für die Endmontage in Hamburg demonstriert. Dass die Kabine des neuen Riesenjets nun in der Hansestadt eingerichtet und die Außenhülle lackiert wird, das sichere auf Jahre die Zukunft der Mitarbeiter, sagten Airbus-Angehörige. Deswegen verstünden sie nicht, dass die Obstbauern sich immer noch wehren. "Wir essen doch auch ihre Äpfel", sagte Veronika Schwartau, während sie das Begrüßungsbanner hoch hielt.
Gegen Arbeitsplätze kann kaum etwas gesagt werden. In Neunfelde sorgt dieses Argument dennoch für Ärger. "Was ist denn mit unseren Arbeitsplätzen?", fragte ein Obstbauer, der nicht genannt werden will. "Ich hatte schon Kunden auf dem Markt, die meine Äpfel nicht mehr kaufen wollten, weil ich gegen die Pläne von Airbus bin", erzählte der Mann. Die Hauptsorge sei jedoch der zunehmende Lärm und mögliche Umweltverschmutzung.
"Wenn die Landebahn erstmal verlängert wird, dann wird er früher landen und noch tiefer über unserem Ort fliegen", sagte Rainer Oetting aus Neuenfelde. Für Peggy Moritz steht dagegen schon jetzt fest: "Das wird auf jeden Fall lauter werden. Die Maschine von heute war doch leer, kaum Gewicht."
Die 38-jährige Frau aus Neuenfelde wehrt sich schon lange gegen die heranrückende Landebahn. Seit August vergangenen Jahres ist dies erstmal mit Hilfe eines gerichtlichen Baustops verhindert. Und obwohl Peggy Moritz heute die Landung selbst vom Deich verfolgte, konnte sie die Begeisterung Tausender Umstehender nicht teilen. "Es war beängstigend", sagte sie. "Heute habe ich erstmal eine Strafanzeige bei der Polizei gestellt. Es geht uns um die Deichsicherheit." Und um die Sicherheit ihres restaurierten Fachwerkhauses. Da helfen aber nur noch Gebete: Die Holzschnitzerei mit der Bitte um Schutz "vor'm A380 über'm Dach" ist am Haus der Familie Moritz nicht zu übersehen.
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