Mechaniker in Triebwerke gesogen
Ungewöhnliche Unfälle auf Flughäfen beschäftigen derzeit Sicherheitsexperten: Mehrere Mechaniker wurden in den vergangenen Jahren vom starken Sog in Triebwerke hineingezogen. Selbst erfahrene Techniker zählen zu den Opfern.
Am Morgen des 16. Januar kam es auf dem Flughafen von El Paso (US-Staat Texas) zu einem schweren Zwischenfall. Der Mechaniker Donald Gene Buchanan geriet in das rechte Triebwerk einer Boeing 737-500 der Fluggesellschaft Continental, die mit 114 Passagieren an Bord nach Houston fliegen sollte. Buchanan wurde in dem Triebwerk getötet.
Im Cockpit der Boeing habe der Kapitän zunächst "eine leichte Erschütterung" verspürt, die rasch an Stärke zunahm, heißt es dazu im vorläufigen Untersuchungsbericht der amerikanischen Aufsichtsbehörde National Transportation Safety Board. Dann sei es zu einem "compressor stall" gekommen, dem Abriss der Luftströmung im Triebwerk.
Der Flugkapitän nahm daraufhin den Motor in Leerlaufposition zurück, und der Kopilot schaltete das Triebwerk ganz ab. Davor sagte er noch, dass "etwas" hineingeraten sei.
Der Mechaniker Buchanan hatte sich zunächst neben dem Triebwerk aufgehalten, war dann aber in den Gefahrenbereich des Triebwerkseinlasses getreten, stellen nun die Unfall-Untersucher fest. Dabei handelt es sich um die sogenannte "inlet hazard zone", die am Triebwerk beginnt und sich kegelförmig zur Seite und nach vorn erstreckt. Flugzeugtechniker sind angewiesen, etwa durch die Wartungshandbücher der Triebwerkshersteller, unbedingt die inlet hazard zone zu meiden.
Der Unfall von El Paso ist auch insofern bemerkenswert, als er bei Arbeiten geschah, die auf dem Vorfeld von Flughäfen alltäglich sind. Beim Kontrollgang um das Flugzeug vor dem Start hatte der Kopilot eine Pfütze auf dem Boden wahrgenommen - offenbar Öl, das von einem Leck im Triebwerk stammte. Auch der Flugkapitän inspizierte die Lache. Vom Cockpit aus bat er dann den Kontrollturm, Mechaniker an die Maschine zu entsenden.
Hohe Triebwerksleistung beim Testlauf
Undichte Stellen in den Leitungen der Triebwerke lassen sich am besten durch einen "run-up", das Hochfahren der Düsen, finden. In El Paso aber waren die Piloten aufgefordert worden, das verdächtige Triebwerk mit bis zu 70 Prozent seiner Leistung zu belasten.
Für einen Test am Boden war das ungewöhnlich viel und entsprach fast schon der Leistung während des normalen Reiseflugs. Die Triebwerke der modernen Boeing 737 sind dermaßen stark, dass sie selbst beim Start ohne den vollen Schub auskommen - knapp 90 Prozent davon genügen.
In dem vorläufigen Bericht macht der National Transportation Safety Board keine direkte Schuldzuweisung. Und auch Rick Juliusson, Generalmanager der Firma Julie's Aircraft Service Inc., enthält sich jeden Kommentars. Er bemerkt nur, dass Buchanan "ein erfahrener und verlässlicher Mechaniker" gewesen sei.
Womöglich herrschte auf dem Vorfeld von El Paso Zeitdruck, da der Starttermin herannahte und die Passagiere bereits in dem Flugzeug waren. Und es war auch nicht der erste Unfall dieser Art, wie das US-Fachmagazin "Aviation Week & Space Technology" berichtet. Auch auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo ist ein Mechaniker von einem Triebwerk angesogen und getötet worden - und zwei Mechaniker, die Maschinen des Discount-Fliegers Ryanair gewartet hatten, verloren in Triebwerken jeweils einen Arm.
"Sehr guter Techniker"
Das Moskauer Unglück ereignete sich im Juli vorletzten Jahres, als das Triebwerk einer Boeing 737-700 der Gesellschaft Air Astana hochgefahren wurde, der Staatslinie von Kasachstan.
Das Flugzeug sollte zu einem Nachtflug in die Heimat starten, weshalb auch die Dunkelheit und heftiger Regen bei dem Unfall eine Rolle spielten. Dem Ausbilder des 26 Jahre alten Mechanikers Igor Jelfimow blieb dennoch rätselhaft, warum sein Zögling dem Einlass des Triebwerks zu nahe kam. Es habe sich bei Jelfimow um "einen eifrigen Ingenieur und sehr guten Techniker" gehandelt, gab Sergej Burobin von der Hochschule für Zivilluftfahrt in Moskau an.
Die Triebwerksunfälle der Ryanair betrafen Maschinen des Typs Boeing 737-200. Der erste geschah auf der Basis des Preisbrechers in Dublin, und der zweite ereignete sich im Juli 2003 auf dem Billigflieger-Drehkreuz Beauvais nördlich von Paris. Auch dort war der Pilot von einem Mechaniker gebeten worden, das Triebwerk in Gang zu setzen. Knapp teilte damals ein Sprecher der französischen Flugunfallbehörde mit, "überraschenderweise" sei der Mechaniker von dem Triebwerk erfasst worden.
Kein Unfall in Deutschland
Die Arbeit auf dem Vorfeld von Flughäfen erfordert überdurchschnittlich hohe Konzentration. So sind zum Beispiel Sonderführerscheine für die Fahrer von Passagierbussen und Schleppern vorgeschrieben sowie Leuchtschutzwesten und Gehörschutz für das Bodenpersonal.
"Der Ansaugbereich der Triebwerke aber ist eine latente Gefahrenquelle", verdeutlicht etwa Lufthansa-Betriebsrat Ingo Schmidt. "Sparmaßnahmen bei der Sicherheitsausbildung könnten sich rächen."
Doch trotz der Hektik und des allgemeinen Zeitdrucks habe es auf deutschen Flughäfen "noch nie einen Triebwerksunfall mit Verletzungsfolge gegeben", bekundet Schmidt, der als Rampenmanager ein alter Fuchs des Vorfelds war.
Auf eine deutsche Besonderheit - die strengen Lärmschutzvorschriften für Flughäfen - weist schließlich Bernd Habbel hin, Sprecher der Lufthansa Technik in Hamburg. Die Auflagen ließen ein Hochfahren der Triebwerke wie in El Paso nicht zu - und das geschehe schon gar nicht, wenn sich Passagiere an Bord befänden. Bei Tests mit hoher Leistung müssten die Jets zum Beispiel in Hamburg eigens in die Lärmschutzhalle am Flughafen gerollt werden.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mens ... 34,00.html