Von Matthias Eberle
Die Historie der Zusammenschlüsse im US-Luftverkehr ist voller schlechter Beispiele: American Airlines verhob sich 2001 am Pleiteflieger TWA und landete fast selbst in der Insolvenz. Das Personal von US Airways und America West ist notorisch zerstritten, obwohl die Gesellschaften seit 2005 unter einer Flagge fliegen. Weshalb soll bei Delta und Northwest Airlines alles besser werden? Auch dort kämpfen die Piloten seit Monaten gegeneinander, nicht miteinander.
Dieser Zusammenschluss macht nur Sinn, wenn er zu einem fundamentalen Wandel im US-Luftverkehr beiträgt: Der weltgrößte Flugmarkt braucht weniger Flugzeuge und – vor allem - mehr Servicequalität. Um das zu erreichen, müssen die Verantwortlichen auf beiden Seiten schnell vergessen, dass sie zur weltgrößten Fluglinie fusionieren. Ein Blick auf die eigene Marktkapitalisierung, die deutlich unter dem Börsenwert einer Lufthansa liegt, kann dabei helfen. Gemeinsam haben Delta und Northwest dann eine Erfolgschance, wenn sie Überlappungen in aller Konsequenz beseitigen, ihre Flugpläne ausdünnen und zahlreichen Rivalen mit der nächsten Sparrunde vorauseilen.
Die Strategie klingt zwar nicht nach „Hochzeit im Himmel“, sie ist aber die einzig reale Chance, den bevorstehenden Ausleseprozess angesichts neuer Rekordstände beim Ölpreis zu überleben. Die Kerosinkosten haben inzwischen ein Niveau erreicht, auf dem weite Teile der Branche bereits wieder hohe Verluste einfliegen. Der Sinkflug 2008 droht ein Abziehbild früherer Krisen zu werden: Die Rezession ist in den USA kaum angekommen, schon steht die halbe Luftfahrtindustrie vor dem finanziellen Kollaps. Vier Fluggesellschaften haben innerhalb weniger Tage Konkurs angemeldet, viele andere - unter ihnen Neuling Virgin America - benötigen frisches Kapital.
Der ruinöse Wettbewerb am Himmel ist eine Folge des heillosen Überangebots. Weltweit gibt es gerade mal zwei große Flugzeughersteller, aber viele hundert Airlines, die sich gegenseitig mit Billigpreisen übertrumpfen. Gesund ist das weder für die Gesellschaften noch für die Kunden, wie in den USA beispielhaft zu sehen: Die Beschwerden von Passagieren erreichen gerade neue Rekordniveaus: Sie klagen über verlorene Koffer, immer häufigere Verspätungen und über zahlreiche Flugausfälle, neuerdings wegen Sicherheitsbedenken.
Mit Blick auf den extrem hohen Ölpreis muss aber auch der Passagier dringend umdenken: Bis heute ist die Haltung weit verbreitet, Taxirechnungen für die Fahrt vom Flughafen bis vor die Haustür nicht weiter zu hinterfragen. Dabei ist der Service schon mal teurer als ein Flug von New York nach Florida, obwohl der Kunde mit einem 99-Dollar-Ticket kaum mehr seine eigenen Kerosinkosten abdeckt. Die Frage ist: Will er künftig in erster Linie sicher fliegen, oder weiterhin vor allem billig? Die Kombination aus sicher UND billig fällt einigen Fluglinien zunehmend schwer, wie die jüngsten Berichte über vernachlässigte Wartungsarbeiten in den USA zeigen.
Über Fusionen wie Delta/Northwest sollten jetzt zwingend (alte) Jets aus dem Verkehr gezogen werden, um den ruinösen Wettbewerb zu entspannen. Nur über Kapazitätsabbau und steigende Ticketpreise kann sich die Industrie gesünder aufstellen und dringend benötigte Investoren anlocken. Aus Sicht des Kunden, der bei einer Service-Firma im Zentrum aller Überlegungen stehen sollte, ist die Fusion Delta/Northwest auf den ersten Blick keine frohe Botschaft: Zunächst winken im Zuge der Marktbereinigung höhere Ticketpreise, weniger Verbindungen und (noch) weniger Service. Mittelfristig aber führt ein zuverlässigeres System mit besserem Service nur über gesunde Unternehmen, die in die Zukunft des Luftverkehrs investieren. Europas Flugkonzerne wie Air France-KLM oder Lufthansa könnten mit Kapital und Kompetenz helfen, wenn sie im Gegenzug Kontrolle über ihre Investition erhielten. „Open Skies“ hin oder her: Noch dürfen sie im weltgrößten Flugmarkt nicht an Land.
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