Der amerikanische Autor Ben Sherwood hat einen Überlebensratgeber für Katastrophen aller Art verfasst. Dafür hat er Überlebende, Ärzte, Rettungskräfte, Katastrophen- und Sicherheitsexperten befragt.
Wer einen Flugzeugabsturz überstehen will, sollte in der Start- und Landephase wachsam sein und nicht mehr als fünf Reihen von einem Ausgang entfernt sitzen. Das rät der amerikanische Autor Ben Sherwood, der einen Überlebensratgeber für Katastrophen aller Art verfasst hat.
Sherwood hat eine Vielzahl von Überlebenden, Ärzten, Rettungskräften, Katastrophen- und Sicherheitsexperten befragt. „Wer überlebt?“ heißt sein Buch, in dem sich Sherwood in einem Kapitel auch den Chancen der Passagiere bei einem Flugzeugunglück widmet. Sherwood räumt gleich zu Beginn mit der weit verbreiteten Mär auf, dass man einen Crash ohnehin nicht überstehen könne. Nach einer Analyse aller Flugunfälle der Jahre 1983 bis 2000 durch die US-Transportsicherheitsbehörde NTSB liegt die Überlebenswahrscheinlichkeit bei nicht weniger als 95,7 Prozent. Selbst bei den 26 schwersten Abstürzen kamen noch mehr als drei Viertel der Reisenden davon. Denn die meisten Flugzeugunglücke ereignen sich bei Start oder Landung in Bodennähe. Das Risiko, bei einem Flugzeugunglück zu sterben, liegt für den Passagier bei 1 zu 60 Millionen.
Nicht nur für Flugreisende hat Sherwood in seinem Buch, das in deutscher Sprache jetzt im Münchener Riemann-Verlag erschienen ist, viele erstaunliche Erkenntnisse zusammengetragen. Der Leser erfährt beispielsweise, ob er eine „Überlebenspersönlichkeit“ ist und welcher persönlichen „Überlebensinstrumente“ es bedarf.
Im Fall von Flugreisen bedeutet das: Statt sich beim Betreten eines Flugzeugs seinem vermeintlichen Schicksal zu ergeben, sollte man als Passagier stets auf die eigene Sicherheit bedacht sein, rät Sherwood. Dazu gehört es, die Hinweise für den Notfall nicht zu ignorieren, sich die Lage der nächsten Ausgänge einzuprägen und einen eigenen Fluchtplan festzulegen. Dieser sollte bei Familien die Angehörigen miteinbeziehen und immer eine Alternative enthalten, falls der Weg zum nächsten Ausgang blockiert ist. Gerade die Vielflieger seien es, die dies sträflich vernachlässigen, weil sie davon überzeugt seien, bereits alles zu wissen.
Drei Zahlen sollte sich der Passagier einprägen, rät Sherwood: Plus 3, minus 8 und 90. Mit „plus 3“ sind die ersten drei Minuten eines Fluges gemeint, mit „minus 8“ die letzten acht Minuten bis zur Landung. Hier sollte man weder schlafen noch lesen, sondern bereit sein, den persönlichen Fluchtplan auch zu realisieren. Und 90 Sekunden sind die Zeit, die maximal bleibt, um aus einer nach dem Absturz in Brand geratenen Maschine zu entkommen. Sich das einzuprägen, ist von besonderer Bedeutung, denn ein nicht nur bei Flugzeugunglücken festzustellendes Phänomen ist die „negative Panik“, ergaben die Recherchen des Autors.
Obwohl sie sich der Gefahr bewusst sind, verharren viele Menschen angesichts der für sie unerwarteten Situation regungslos, wenn ihnen niemand Anweisungen gibt. So ging ein Großteil der Passagiere der Ostseefähre „Estonia“ mit dem Schiff unter, ohne überhaupt versucht zu haben, von Bord zu entkommen. Doch wenn keine Befehle des Personals kommen, sollte man niemals darauf warten, rät Sherwood. Eine Untersuchung habe ergeben, dass 45 Prozent der Flugbegleiter bei überlebbaren Abstürzen selbst nicht handlungsfähig waren.
Auf die immer wieder diskutierte Frage, ob man besser vorn oder hinten in der Kabine sitzt, hat auch Sherwood keine Antwort gefunden. Hier zeigen verschiedene Studien komplett gegenteilige Ergebnisse, und tatsächlich ist jeder Crash anders. Dagegen ist die Chance, heil aus einem brennenden Flugzeug zu gelangen, umso größer, je dichter man an einem Ausgang sitzt. Nach mehr als fünf Reihen sinkt die Wahrscheinlichkeit, dem Inferno zu entkommen, erheblich. Und wer nicht direkt neben einem Notausgang sitzt, kann sein Risiko um sechs Prozent mindern, wenn er einen Gangplatz wählt.
Für junge, schlanke Männer sind die Überlebenschancen am größten, während ältere, übergewichtige Frauen die schlechtesten Karten haben. Flugreisende mit größerem Körperumfang sollten deshalb versuchen, einen Gangplatz in der Nähe einer der normalen Flugzeugtüren zu bekommen und nicht auf die schmalen Notausgänge setzen. Für alle zusammen gilt: Der Griff zum Handgepäck ist nach einem Crash lebensgefährlich. Die Suche danach kostet wertvolle Zeit, und mitgeführte Taschen blockieren die Fluchtwege.
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