Flughafen Erfurt schlingert ins Chaos
Erfurt. Die Krise am landeseigenen Flughafen Erfurt hat sich verschärft. Der Rücktritt von Geschäftsführer Gerd Ballentin überrascht auch deshalb, weil ausgerechnet einer seiner engsten Mitarbeiter zum Königsmörder wurde.
Das neue Jahr hatte kaum begonnen, da loderte der seit Monaten glimmende Brand um den Flughafen Erfurt schon wieder lichterloh. Diesmal löschte das Land Thüringen als Mehrheits-Eigentümer mit Hochdruck. Nachdem ein Brief mit neuen Anschuldigungen am Dienstag im Finanzministerium eingegangen war, wurden Geschäftsführer Gerd Ballentin 24 Stunden Zeit für eine schriftliche Stellungnahme gegeben. Am Donnerstag trat die Gesellschafterversammlung zu einer mehrstündigen Krisensitzung zusammen. Anschließend stand fest: Ballentin beendet seinen bis Frühjahr 2007 laufenden Vertrag, sobald ein Übergangs-Nachfolger gefunden ist.
Den will das Finanzministerium, das die Landesanteile hält, "kurzfristig" berufen - die Rede ist von Tagen, höchstens aber Wochen.
Von der Zuspitzung wurden alle überrascht. Zu Wochenbeginn, so heißt es, war Ballentin noch pfeifend und gut gelaunt zur Arbeit gekommen. Bei einem Interview mit unserer Zeitung im Dezember zeigte er sich kämpferisch und siegesgewiss. Im Januar schon, so seine Hoffnung, werde die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn einstellen, die nach den ersten anonymen Vorwürfen wegen Vetternwirtschaft oder Mobbing begonnen wurden. Bei einer Feier kurz vor Weihnachten soll er zu den Mitarbeitern gesagt haben: "Wir schaffen es. Alles wird gut."
Dabei dürfte er wohl kaum seinen Rücktritt gemeint haben. Und doch scheint es jetzt einigen, als ob das Feuer nicht ohne Vorwarnung erneut aufgelodert sei. Am Montag soll bereits am Flughafen orakelt worden sein: "Den Januar überlebt er nicht."
Dass nun auch einer seiner engsten Mitarbeiter den Vorwurf erhob, Passagierzahlen seien nach oben manipuliert worden, um mehr Landesgelder zu bekommen, veränderte die Lage erheblich. Ballentin machte den Eindruck, heißt es, als seien "ihm die Beine weggehauen worden". Allerdings hat laut Finanzministerium der Geschäftsführer, dessen Verdienste unumstritten seien, "die neuen Vorwürfe durchaus plausibel widerlegt". Ob er für einen Neuanfang und auch aus menschlicher Enttäuschung seinen Rückzug anbot, wie es das Ministerium darstellt, oder ob er dazu gedrängt wurde, wird wohl nur der innere Zirkel der Flughafen-Eigentümer wissen.
Das Ministerium hält sich derzeit generell bedeckt: Auf die Fragen, wer Ballentin jetzt beschuldigte, ob der leitende Mitarbeiter beurlaubt worden sei oder ob der Geschäftsführer eine Abfindung bekomme, erhält man nur die immer gleiche Antwort: "Kein Kommentar."
Dass der neue Brandherd die Gerüchteküche rauchen lässt, dürfte indes klar sein. Angeblich war es der Verkehrsleiter des Flughafens, der sich in dem Brief einer Manipulation der Passagierzahlen bezichtigte und Ballentin mit ans Messer lieferte. Jener Verkehrsleiter, gegen den Mitarbeiterinnen der Passagierabfertigung Mobbing-Vorwürfe erhoben hatten und vor den sich Ballentin bislang gestellt hatte. Spekuliert wird, ob der Geschäftsführer ihn jetzt zum Sündenbock machen wollte.
Die Brisanz der Beschuldigungen, heißt es aus der ermittelnden Staatsanwaltschaft Mühlhausen, könne man sich doch zusammenreimen, wenn der Geschäftsführer zurücktrete. Deshalb sah die Opposition aus Linkspartei und SPD die Notwendigkeit des gerade eingesetzten Untersuchungsausschusses bestätigt. "Ich will jetzt alles wissen", sagte PDS-Vormann Benno Lemke. "Es geht auch um die Rolle des Aufsichtsrates und der Gesellschafter."
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