Die Luftfahrtindustrie darf auf einen historischen Durchbruch in den Verhandlungen zur Liberalisierung des transatlantischen Flugverkehrs hoffen. Nach einem über Jahrzehnte währenden Streit haben sich die EU und die USA darauf verständigt, dass europäische Fluglinien künftig aus jeder Stadt innerhalb der EU alle Flughäfen in den Vereinigten Staaten anfliegen dürfen.
Der Flugverkehr soll künftig effizienter und für den Passagier angenehmer abgewickelt werden. Foto: dpa.
FRANKFURT/M./NEW YORK. Bisher regeln bilaterale Verträge den transatlantischen Flugverkehr. Deshalb können von Deutschland aus nur deutsche Fluglinien Direktflüge in die USA anbieten. So ist es etwa der Lufthansa nicht erlaubt, Flüge aus Paris oder London nach New York anzubieten. Prominentestes Beispiel für die antiquierte und seit Jahren umstrittene Marktabschottung ist die Situation an Europas größtem Flughafen London-Heathrow: Den Betrieb auf den weltweit teuersten Nordatlantikstrecken dürfen sich zwei US-Fluggesellschaften (United Airlines/American Airlines) mit zwei britischen Unternehmen teilen (British Airways/Virgin Atlantic). Diese Beschränkungen würden fallen, sobald die Verhandlungspartner eine abschließende Einigung erzielt haben.
„Wir wollen die Türen für einen starken Wettbewerb öffnen“, sagte US-Verhandlungsführer John Byerly. In den USA ist der Verhandlungserfolg jedoch sofort auf Kritik gestoßen. 85 Kongressabgeordnete haben Transportminister Norman Mineta in einem Brief aufgefordert, einen stärkeren Einfluss der Europäer auf US-Fluglinien zu verhindern. Die Parlamentarier werden dabei von den Gewerkschaften unterstützt. Sie befürchten, dass bei einem Einstieg ausländischer Unternehmen Arbeitsplätze in den USA verloren gehen könnten. Bislang dürfen sich ausländische Investoren nur mit maximal 25 Prozent an einer US-Fluggesellschaft beteiligen. Ein Versuch der Regierung, die Beteiligungsgrenze auf 49 Prozent anzuheben, wurde 2003 vom Kongress abgelehnt.
Das jetzt geschlossene Abkommen lässt die Beteiligungsgrenze unberührt. Mineta kann den Vertrag ohne Zustimmung des Kongresses in Kraft setzen. „Es ist jedoch zu erwarten, dass die Kritiker mit verschiedenen Mitteln versuchen werden, den Handlungsspielraum der Regierung einzuengen“, sagte David Marchick, Anwalt bei der Kanzlei Covington & Burling in Washington, der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Der Kongress hat noch bis zum 6. Januar Zeit, zu den geplanten Änderungen Stellung zu nehmen. Weil ein Mitspracherecht der Europäer bei US-Fluglinien faktisch noch ausgeschlossen ist, hatte die niederländische KLM vor Jahren ihr Investment bei Northwest Airlines in Höhe von 400 Mill. Dollar zurückgezogen. Inzwischen operiert Northwest unter dem Gläubigerschutz des US-Konkursrechts (Chapter 11), KLM wurde im Vorjahr von Air France übernommen.
Branchenbeobachter werten die Forschritte nach der Neuaufnahme wochenlanger Verhandlungen als wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu mehr Wettbewerb. Zwar seien Kernpunkte eines neuen Abkommens wie die Frage des künftigen Marktzugangs noch höchst umstritten.
Doch auch das jetzt erreichte Entgegenkommen der US-Seite könne bereits zu spürbaren Marktveränderungen führen, hieß es in EU-Kreisen. Zudem seien bei den Themen Umweltschutz und Sicherheit gute Fortschritte erzielt worden. So sollen angeglichene Sicherheitsstandards künftig dafür sorgen, dass der Flugverkehr effizienter und für den Passagier angenehmer abgewickelt werden kann.
HANDELSBLATT, Montag, 21. November 2005, 09:18 Uhr
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