Fluggesellschaft Alitalia kämpft ums Überleben
Die italienische Airline macht pro Stunde 50 000 Euro Verlust
Oliver Meiler
ROM. Seit Tagen müssen sich Passagiere auf italienischen Flughäfen auf lange Wartezeiten einstellen. In Terminalhallen breiten sie ihre Gepäckstücken aus, lesen, warten. Meist handelt es sich um Kunden von Alitalia - Opfer von Streiks. In den letzten Tagen mussten hunderte Flüge annulliert werden. Italiener sind Streiks gewöhnt, doch die laufende Serie von Kampfmaßnahmen bei Alitalia nagt an der Geduld - und verwundert.
Die Fluggesellschaft steht kurz vor dem Kollaps. Die genauen Zahlen sind zwar noch nicht publik, doch dürfte Alitalia im letzten Jahr 160 Millionen Euro mehr verloren haben als veranschlagt. Die Schuldenlast wiegt zwei Milliarden Euro. Überlebt hat die Gesellschaft 2005 ohnehin nur dank einer Kapitalerhöhung von einer Milliarde Euro. Die Hälfte davon gab der Staat dazu.
Doch die Misere hält an: Jede Stunde verliert Alitalia 50 000 Euro. Und wenn die Maschinen am Boden bleiben, sind es 20 Millionen am Tag. Dennoch wird das Unternehmen bestreikt. Der Konflikt mutet wie ein Showdown an. Der Konzernchef gilt als Sündenbock. Es geht um Sein oder Nicht-Sein. In der rechtsbürgerlichen Regierung gibt es Minister, die Alitalia lieber "sterben" ließen, als ihr weiter zu helfen. Damit sie später privatisiert wiederauferstehen könne.
Aber kurz vor den Wahlen Anfang April gibt es auch Politiker, die sich hinter die Forderungen der 20 000 Mitarbeiter stellen. Den Gewerkschaften wiederum geht es um Missmanagement im Unternehmen und um mangelnde Strategie. Sie fordern den Kopf des Konzernchefs. Am Pranger steht Giancarlo Cimoli, früher erfolgreicher und gefeierter Chef der Staatsbahnen, der Alitalia seit anderthalb Jahren vorsteht. Doch Cimoli ist ein Branchenneuling, und daran erinnert man ihn bei jeder Gelegenheit.
Image leidet unter Konflikten
Cimolis Industrieplan sieht bereits für 2006 eine ausgeglichene Bilanz vor, doch glaubt schon Anfang dieses Jahres kaum jemand mehr daran. Hauptstreitpunkt ist die Zweiteilung des Konzerns in AZ Fly (Fluggeschäft) und AZ Services (Bodendienste und Unterhalt), wobei vor allem die zweite veräußert werden soll. Unbeliebt ist auch die Verlegung einiger hundert Arbeitsplätze von Rom nach Mailand. Das Image der Airline leidet unter den ständigen Sozialkonflikten. Im tourismusintensiven Binnenmarkt ist Alitalias Anteil so klein wie nie. Einzig ein derzeit diskutierter Zukauf der Billigairline Volare könnte dies rasch ändern. Unumgänglich scheint zudem eine Fusion oder wenigstens eine starke Anbindung an einen internationalen Partner. Die Rede ist vom Duo Air France-KLM.
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