Abschluss des Swissair-Skandals in Sicht
von Jens Flottau, Frankfurt
Die Aufarbeitung der größten Pleite der Schweizer Wirtschaftsgeschichte steht vor ihrem endgültigen Abschluss. Die Staatsanwaltschaft Zürich hat Anklage gegen die Verantwortlichen der zusammengebrochenen Fluggesellschaft Swissair erhoben.
Ein A340-300 im Einsatz der Swiss AirDie Liste der Beschuldigten umfasst 19 Ex-Manager und Verwaltungsräte, darunter Berühmtheiten der Schweizer Wirtschaft und Politik. Ihnen wird Urkundenfälschung, Untreue, Misswirtschaft und Gläubigerschädigung vorgeworfen.
Die Swissair stellte im Oktober 2001 mit Schulden von rund 17 Mrd. Schweizer Franken (damals 11,4 Mrd. Euro) Insolvenzantrag. Monate-, wenn nicht gar jahrelang hatte sich die Finanzkrise der einst als fliegenden Bank bezeichneten Swissair hingezogen. Am 2. Oktober wurde der Flugbetrieb überraschend eingestellt, weil das Unternehmen den Treibstoff nicht mehr zahlen konnte.
Von der operativen Konzernseite sind die beiden ehemaligen Konzernchefs Philippe Bruggisser und Mario Corti sowie ihre Finanzchefs Georges Schorderet und Jacqueline Fouse von der Anklage betroffen. Aber auch das gesamte ehemalige Kontrollgremium muss sich verantworten, darunter der Ex-Chef der Credit Suisse, Lukas Mühlemann und der Mehrheitsaktionär des Zementkonzerns Holcim, Thomas Schmidheiny.
Anklage steht unter Zeitdruck
Der schwerwiegendste Anklagepunkt, die Urkundenfälschung, kann in der Schweiz mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verfolgt werden. Für alle anderen Vorwürfe könnte ab Mitte 2008 aber eine Verjährung greifen, so dass die Anklage unter starkem Zeitdruck steht.
Die Swissair war noch bis Mitte der 90er Jahre ein Muster an finanzieller Solidität gewesen. Doch als Philippe Bruggisser Anfang 1996 an die Konzernspitze rückte, begann der Niedergang. Bruggisser glaubte, die Swissair könne die sich abzeichnende Konsolidierung des europäischen Luftverkehrssektors nur eigenständig überleben, wenn sie schnell wachse.
Er beteiligte sich jedoch an notorischen Verlustbringern wie Sabena, LOT Polish Airlines oder AOM. Als die Finanzlage außer Kontrolle geriet, griff das Management, so die Staatsanwaltschaft, zu unsauberen Tricks, und der Verwaltungsrat kam seiner Aufsichtspflicht nicht nach.
Auf die Schweizer Steuerzahler kommen nach den Milliardenbeträgen, die ihr Land bereits in die marode Fluggesellschaft pumpen musste, nun womöglich weitere Kosten zu. Laut Schweizer Medienberichten hat die Zürich-Versicherung ihre Zahlungen aus der "Directors and Officers"-Versicherung, die die Swissair vor Klagen von Dritten gegen Fehler ihres Managements schützen sollte, eingestellt. Die Deckung sei nach zahlreichen Verfahren ausgeschöpft. Da das Privatvermögen der meisten Angeklagten für die Deckung der Prozesskosten nicht ausreichen dürfte, wird der Staat wohl einspringen müssen.
http://www.ftd.de/karriere_management/koepfe/61932.html