Seid verjubelt, Millionen
Es gibt eine kostensparende Alternative zur Airportplanung – aber die stört wohl nur
Von Gerd Appenzeller
Flughafenplanung in Berlin, das ist wie eine Achterbahn. Immerhin steht nun, nach Jahren zeitraubender Einsprüche und für die Politik deprimierender Gerichtsentscheide fest, dass BBI, Berlin-Brandenburg International, gebaut werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gab dazu grünes Licht – oder besser: grün mit roten Einsprengseln.
Denn nachts darf von dem neuen Flughafen nicht gestartet, auf ihm nicht gelandet werden. Die neue Rechtslage ist also deutlich schlechter als die bestehende. Die erlaubt einen 24-Stunden-Verkehr. Davon haben die Betreiber aus verschiedenen, vielleicht kurzsichtigen Gründen keinen Gebrauch gemacht. Deshalb melden sich nun Planungsrechtler und Konzeptentwickler zu Wort. Die einen wollen die Rund-um-die-Uhr- Lizenz nicht verfallen lassen, die anderen glauben, schneller, weniger aufwändig, vor allem aber: billiger bauen zu können. Erstaunlicherweise hat die offizielle Politik weder an dem einen noch an dem anderen erkennbares Interesse.
3,5 Milliarden Euro soll der neue Flughafen mit allem drum und dran kosten. Die Firma Konzept plus mit ihrem Chef Reinhard Müller meint, so viel Geld brauche man nicht. Beide rechnen vor, mit dem Y-Projekt (benannt nach dem Grundriss) unter Verzicht auf den teuren, unterirdischen Bahnhof, bei Weiternutzung bestehender Bausubstanz und späterer Stilllegung von Tegel 1,2 Milliarden Euro günstiger abzuschneiden. Die Politik weiß von dem Konzept seit 2003, hatte Müller aber gebeten stillzuhalten, um das Verfahren in Leipzig nicht zu stören.
Das Bundesfinanzministerium bestritt gestern, unter indirekter Dementierung einer anders lautenden Meldung des „Spiegel“, im Zusammenhang mit dem Y-Konzept „Karten im Spiel“ zu haben – was immer das bedeutet. Die Regierungen von Berlin und Brandenburg haben Müller schon vor zwei Wochen signalisiert, sie wollten auf der vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten Linie bleiben. Jede Umplanung könne, heißt es auch, die Realisierung gefährden. Beweisen kann das niemand, weil keiner bereit ist, das Alternativkonzept ernsthaft zu prüfen. Aber aus einer Regierungspartei hört man, natürlich würde man heute auf den Mega-Bahnhof unter der Erde verzichten, wenn das noch ginge. Der alleine kostet 820 Millionen Euro, und ist nichts als ein fernverkehrsuntauglicher Sackbahnhof.
Selbstverständlich ist es kein Argument gegen die offizielle Flughafenplanung, sie sei überdimensioniert. In Deutschland wurde nach dem Krieg kein Flughafen gebaut, der sich nicht nach kürzester Zeit als zu klein erwiesen hätte. Aber die Weigerung, sich eine Alternative auch nur anzuschauen, mit der man vielleicht einen Milliardenbetrag einsparen könnte, zeugt schon von ganz erheblicher Borniertheit und der klassischen, ätzenden Politikeinstellung: Bürger, störe unsere Kreise nicht.
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