Countdown für Tempelhof
Zum Abschied herrscht Hochbetrieb: Viele Privatpiloten wollen nochmals nach Tempelhof fliegen. An den letzten Tagen geht das nur noch mit Anmeldung.
Hochbetrieb auf dem Flughafen Tempelhof: Im letzten Monat vor der Schließung brummt es nochmals auf dem einstigen Zentralflughafen. Der Linienverkehr dümpelt zwar mit einem Dutzend Flügen vor sich hin, und die ersten der letzten Fluggesellschaften verlassen Tempelhof sogar schon vor dem offiziellen Ende, doch dafür wird der innerstädtische Flughafen nochmals zum Ziel von Privatpiloten und Sonderflügen aus ganz Europa. Und auch die Zahl der Rundflüge mit Start und Ziel in Tempelhof nimmt jetzt nochmals zu. Allein Air Service Berlin hat im Oktober die Zahl der Rundflüge mit dem Rosinenbomber Douglas DC 3 verdoppelt und dafür zusätzliche Piloten angeheuert. Neu sind auch Flüge mit dem einmotorigen Doppeldecker Antonow-2.
Es sind vor allem Privatpiloten, die mit einem Flug nach Tempelhof Abschied nehmen wollen vom einstigen Zentralflughafen. Fast jeder deutsche Fliegerverein plane Oktober-Flüge nach Berlin, heißt es in der Branche. Das Berliner Flugmagazin „Roger“ hat alle Piloten aufgefordert, am 30. Oktober, dem letzten Betriebstag, nach Tempelhof zu fliegen „und diesem Wahrzeichen an seinem letzten operationellen Tag die Ehre zu erweisen“.
Weil mit großem Andrang gerechnet wird, sind Flüge nach dem 26. Oktober nur noch möglich, wenn sich die Piloten vorher anmelden,was nur bis zum 19. Oktober möglich ist. Pro Stunde sollen an den letzten Betriebstagen je zwölf Starts und Landungen zugelassen werden – so viel wie derzeit im Linienverkehr pro Tag.
Ähnlich starken Verkehr hat es bei der Fußball-WM 2006 oder bei organisierten Massenflügen an Wochenenden gegeben. Experten erwarten jetzt sonnabends und sonntags über 300 Flüge. Auch werktags soll es täglich mehr als 200 Starts und Landungen geben.
Wer am 30. Oktober nach Tempelhof fliegt, muss aber damit rechnen, dass er die Stadt mit seinem Flugzeug nur auf der Straße verlassen kann. Auch bei technischen Problemen an einem Flugzeug oder wetterbedingten Verzögerungen beim Start soll es keine Ausnahmegenehmigungen für Flüge über Mitternacht hinaus geben. Privatmaschinen, die nicht mehr starten können, müsstenauf einen Tieflader geladen werden und so nach Hause oder zum nächsten Flugplatz rollen.
Regulär darf nur bis 22 Uhr geflogen werden. Dann beginnt das Nachtflugverbot. Der letzte Linienflug (Cirrus Airlines) startet um 21.50 Uhr gen Mannheim. Ausnahmen hat die Luftfahrtbehörde bereits zugelassen. Fünf Minuten vor Mitternacht darf die letzte Maschine abheben – die Ju 52 der Lufthansa oder die DC 3 von Air Service Berlin. Das Startrecht wird verlost. Dann kehrt Ruhe ein am Airport. Klaus Kurpjuweit
Countdown für Tempelhof – unsere tägliche Serie bis zum 30. Oktober. Morgen lesen Sie: Was wird aus dem Schriftzug „Zentralflughafen“?
http://www.tagesspiegel.de/berlin/Tempe ... 70,2629350
Ganz Tempelhof soll Baudenkmal werden
Nachdem der Volksentscheid für die Erhaltung des Flughafens Tempelhof scheiterte, ist nun ein weiteres Bürgerbegehren gestartet. Ein Aktionsbündnis will den weltweit ersten Verkehrsflughafen als Baudenkmal erhalten.
Berlin - Das Aktionsbündnis be-4-tempelhof.de hat am Montag ein Bürgerbegehren zum Erhalt des Flughafens Tempelhof als Baudenkmal begonnen. Längerfristiges Ziel sei die Aufnahme der Gesamtanlage in die UNESCO-Welterbeliste, erklärten die Initiatoren. Ein Volksentscheid auf Landesebene über den Weiterbetrieb des Verkehrsflughafens war am 27. April gescheitert, da nicht genügend Menschen an der Abstimmung teilnahmen. Der Flugbetrieb in Tempelhof wird am 31. Oktober um 0:00 Uhr eingestellt.
Das Bürgerbegehren richtet sich an den Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Das Aktionsbündnis fordert unter anderem, den Komplex als ein "Denkmal von nationalem und internationalem Rang" dauerhaft zu erhalten und zu schützen. Der bestehende Denkmalschutz für Gebäude und Vorfeld soll auf Freiflächen, Roll- und Startbahnen mit Schutzstreifen sowie Betriebsflächen ausgedehnt werden. Der Bezirk wird zudem aufgefordert, sich bei Senat und Bundesregierung für eine zukünftig schwerpunktmäßige Nutzung Tempelhofs als Regierungs-, Rettungs- und Ausweichflughafen einzusetzen.
Der Flughafen Tempelhof ging 1923 als weltweit erster Verkehrsflughafen in Betrieb. Der heutige fast 1,3 Kilometer lange Hallenzug wurde 1934 während der NS-Diktatur vom Architekten Ernst Sagebiel entworfen. Er galt damals als das flächenmäßig größte Gebäude der Welt. Die 1936 begonnen Bauarbeiten wurden vom Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 beeinträchtigt. Bis Kriegsende 1945 konnte das Gebäude nicht ganz fertig gestellt werden.
Damit das Bürgerbegehren zustande kommt, müssen innerhalb von sechs Monaten mindestens drei Prozent der zum Bezirksparlament Wahlberechtigten die Unterstützerlisten unterschreiben. Die Listen liegen in Kiosken und Restaurants in Tempelhof-Schöneberg aus. In den kommenden Wochen werden auch auf den Straßen des Bezirks Unterschriften gesammelt.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/Flugh ... 70,2629835
Gala zum letzten Start
Nun wird der Abschied doch gefeiert – mit 800 Gästen in der Haupthalle. Das Programm ist noch geheim.
Ein öffentliches Fest zum Ende des Flugverkehrs in Tempelhof soll es nicht geben, so hatte es der Senat verkündet. Ganz sang- und klanglos wird der letzte Flugtag am 30. Oktober aber doch nicht enden. Von der Flughafengesellschaft geladene Gäste werden sich am Abend in der Haupthalle vom einstigen Zentralflughafen verabschieden, wurde nun bekannt. Etwa 800 Teilnehmer werden erwartet. Angaben zu den Kosten gibt es nicht. Zutritt haben am 30. Oktober nur die geladenen Gäste sowie die Passagiere der letzten Flüge.
Flughafensprecher Ralf Kunkel verspricht eine „spannende Veranstaltung“. Einzelheiten wollte er gestern nicht nennen. Eingeladen werden sollen Vertreter aus der Politik, der Verwaltung, der Wirtschaft sowie ehemalige Nutzer des Flughafens Tempelhof. Spekuliert wird bereits, ob auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kommen wird, der maßgeblich das Ende des Flughafens mit vorangetrieben hat.
Vor einem öffentlichen Abschiedsfest hat sich der Senat gedrückt. Nach den Emotionen um die Schließung und nach dem gescheiterten Volksentscheid zu einem Weiterbetrieb wollte der Senat die Flughafenfreunde nicht auch noch durch ein „Freudenfest“ provozieren. So bleibt es bei der internen Veranstaltung.
Die Gäste können dabei die Passagiere des letzten Linienflugs von Cirrus Airlines beim Einchecken beobachten. Cirrus hebt planmäßig um 21.50 Uhr mit dem Flugziel Mannheim ab. Der planmäßige Flug um 20 Uhr ist extra verschoben worden, um möglichst nah vor dem Beginn des Nachtflugverbots um 22 Uhr den Flughafen verlassen zu können. Einbezogen werden sollen die Gäste kurz vor Mitternacht dann auch bei den letzten Flügen. Auch hier wollte Kunkel noch nichts Konkretes sagen. Anders als von der Genehmigungsbehörde angekündigt, werde der wirklich allerletzte Flug aber nicht verlost. Der Rosinenbomber DC 3 von Air Service Berlin und die Ju 52 der Lufthansa Berlin-Stiftung würden parallel starten, sagte Kunkel. Oder zumindest unmittelbar hintereinander. Parallelstarts sind nach Angaben der Flugsicherung in Tempelhof allerdings nicht möglich, weil die Bahnen zu dicht nebeneinander liegen. Auch in Tegel können auf den beiden Bahnen keine Maschinen zeitgleich starten und landen. Dies wird erst auf dem ausgebauten Flughafen BBI in Schönefeld möglich sein.
Schönefeld ist auch das Ziel der letzten Maschinen aus Tempelhof. So wolle die Flughafengesellschaft symbolisieren, dass das Ende in Tempelhof ein Baustein auf dem Weg zu BBI in Schönefeld sei, sagte Kunkel. Und dort wird die Eröffnung dann auch ganz groß gefeiert.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/Berli ... 50,2630058
Rummel auf dem Rollfeld
Abschied vom Mythos: In 26 Tagen schließt Tempelhof. Damit geht auch eine West-Berliner Tradition zu Ende: die Tage der offenen Tür auf dem Flughafen. Für den Nervenkitzel auf dem Rollfeld begeisterten sich Hunderttausende.
Welches Volksfest sonst hatte so etwas zu bieten? Spaziergänge durch herausgeputzte Rosinenbomber, durch das größte Transportflugzeug der Welt, dessen offene Ladeklappen wie ein aufgerissenes Haifischmaul wirkten. Cockpit-Besuche in den verschiedensten Flugzeugen, viel Livemusik, Demonstrationsflüge, nicht nur amerikanische Spezialitäten und drum herum ein weites Feld zum Durchatmen bei kerosinhaltiger Luft: Das waren unvergessene Tage der offenen Tür auf dem Flughafengelände Tempelhof.
Rund 150.000 Besucher feierten auch wehmütig Abschied von einer Tradition, als sich am 6. Juni 1992, zum 50-jährigen Jubiläum der US-Luftwaffe in Europa, noch einmal das Rollfeld für die Berliner und ihre Gäste öffnete. Die Amerikaner zogen bereits schrittweise aus Berlin ab, die Flugschau ging ins Finale. Mit Ausnahme des Golfkriegsjahres 1991 hatte es seit 1965 regelmäßig auf dem Flughafengelände auch bei laufendem Betrieb Tage der offenen Tür gegeben, die doch bessere Flugschauen der Amerikaner waren. In den letzten Jahren konnten nun auch die Ost-Berliner kommen und Flugzeuge sehen, die sie sonst nur vom Himmel oder gar nicht kannten. Dabei probierten viele erstmals original amerikanisches Eis, Spareribs oder auch Maiskolben und fühlten sich wie in Klein-Amerika. Viele Russen kamen, kauften gern US-Fähnchen und kosteten erwartungsvoll amerikanisches Bier.
Aber der große Publikumsrenner war der Tag schon damals nicht mehr. Noch in den achtziger Jahren kamen – an zwei Veranstaltungstagen – 700.000 Besucher, meistens wurde eine halbe Million gezählt. Kurz nach der Wende waren es noch mehr als 300.000. Menschenmassen, die allein ein Sonntag im Jahr 1971 erreichte, als das damals größte Transportflugzeug der Welt, die Galaxy, bedrohlich tief über Friedenau nach Tempelhof einschwebte und sich besichtigen ließ.
Zur Nachkriegstradition West-Berlins gehörte dieser Tag auf dem Flugfeld ebenso wie die regelmäßige Militärparade der Alliierten auf der Straße des 17. Juni. Die ausgestellten Rosinenbomber waren eine berührbare und rührende Erinnerung an die Blockade, ein Besuch in Tempelhof galt für viele „Luftbrückenkinder“ auch als Zeichen der Dankbarkeit. Im Jahr 1969, Schlagersängerin Peggy March war dabei, regnete es an Fallschirmen Süßigkeiten vom Himmel, „wie vor 20 Jahren“. Das rührte das Gemüt.
Natürlich führte die Berliner auch die Lust am Rummel aufs Feld. Für den Nervenkitzel, riesigen Flugzeugen ganz nahe zu sein, ließen sich die Gäste gern vor dem Besuch in einem von fünf Kontrollzelten nach Waffen, Sprengstoff und anderen gefährlichen Gegenständen filzen.
Dann standen sie bis zu 30 Minuten in Warteschlangen vor der C5 Galaxy, deren Bauch besichtigt werden wollte. Sie erfuhren, dass die Tankladung für eine Weite bis zu 10.000 Kilometer reicht. Sie bewunderten beispielsweise den großen Hubschrauber Chinook, den Starlifter C 14, die Hercules C 130, das Tankflugzeug Extender KC 10, und wie sie alle hießen. Wer hier zu Gast war, konnte sich zum Flugzeugexperten mausern.
Die Briten beteiligten sich, stellten auch Zivilflugzeuge aus, flankiert von Dudelsackpfeifern. Und dann wurden auch noch Fallschirmabsprünge, Flugvorführungen – auch mit Doppeldeckern – geboten. Wem das nicht reichte, der durfte noch in Panzer und andere Militärfahrzeuge klettern. Zwischendrin wurden Go-Kart-Rennen veranstaltet, ferner Heißluftballonfahrten. Zur Stärkung gab es nicht nur Amerikanisches, auch China-Pfannen, Erbsensuppe, Kebap.
Im Jahr 1987 kamen sogar eine Million Besucher, ,,aber da ging es nicht um Flugzeuge, sondern um ein großes Feuerwerk zum Stadtjubiläum. Ein Jahr später waren über 385.000 Menschen beisammen, von denen sieben Plakate entrollten und gegen die Rüstungspoltik protestierten. Der US-Stadtkommandant verkündete rund ums Flughafengebäude eine Bannmeile. Nach der Katastrophe von Ramstein, als bei der Flugschau Maschinen einer Kunststaffel kollidierten und 70 Menschen zu Tode kamen, gab es politischen Streit, ob es 1989 noch Flugvorführungen in Berlin geben sollte. Sie seien angesichts der Katastrophe „geradezu zynisch“, kritisierte die Alternative Liste (AL). Die Feststimmung war getrübt. Vorbeiflüge gab es trotzdem.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/Tempe ... 70,2628826
Wer mehr über THF lesen will, kann ja die verschieden Verlinkungen auf der Seite des Tagesspiegels benutzen. Eine Schande jedenfalls ist die Schließung!