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 Betreff des Beitrags: "Laßt Tempelhof leben!"
BeitragVerfasst: Montag 27. März 2006, 13:58 
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Registriert: Freitag 29. April 2005, 19:14
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"Laßt Tempelhof leben!"



Der Berliner Autor Horst Pillau mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für den Erhalt des innerstädtischen Flughafens

von Horst Pillau



Nachdem das Bundesverwaltungsgericht grünes Licht für den Bau des neuen Großflughafens in Schönefeld gegeben hat, will der Senat den City-Airport Tempelhof im Oktober 2007 schließen.





Ende April dieses Jahres fliege ich fünfzig Jahre, und Tempelhof ist der schönste Flugplatz, den ich, als Pilot oder Passagier, in vier Erdteilen kennengelernt habe. Das hat mit Blockade und späterem Inseldasein zu tun, auch nach der Zeit der Luftbrücke, die uns gerettet hat, bin ich, als RIAS-Autor, sicherlich über tausendmal mit PAN AM, Air France oder British European Airways von Tempelhof abgeflogen und dort gelandet. Mein erster eigener Start von Tempelhof nach der Wende war ein Schlüsselerlebnis.





Tempelhof ist Berlins Kronjuwel und es verdient, erhalten zu werden, sinnvoll ist das aber nicht als Tempelhof-Museum sondern nur als Flugplatz. Verständnis dafür hätten Flughafendirektoren wie etwa der von Hannover, der selbst Pilot ist und der Chef des früheren Flughafens München-Riem, Graf zu Castell, der auch Flieger war.





Die Verantwortlichen von Senat und Flughafengesellschaft aber sind Geschäftsleute, für die einzig Zahlen und Etats gelten, sie sehen Tempelhof nur als gewinnbringende Immobilie.





Es geht ausschließlich um Effektivität und Profit, von den Bedürfnissen und Vorteilen der Flugpassagiere spricht niemand. Der neue Single-Airport mit seinen ständig beschworenen Synergien soll den Flugbetrieb rationeller und damit einträglicher machen. Das ist aber auch von der Sache her falsch.





Wenn der Flughafen Tempelhof geschlossen wird, steht dem Gelände eine klägliche und sinnlose Zukunft bevor. Nach dem letzten offiziellen Plan des Senats - ich war bei seiner Verkündung dabei - soll aus Tempelhof "unter Bebauung mit Wohnhäusern, Gewerbe und einer Art Disneyland, ein Wiesenmeer werden." Das ist zutiefst unaufrichtig. Ein Wiesenmeer ist Tempelhof zur Zeit noch, man braucht nur von der Stadtautobahn auf ihn herunterzuschauen, die zwei Runways durchschneiden eine riesige Rasenfläche. Und leerstehende Bauten gibt in Berlin genug. Wozu die Bebauung? Selbst eine Teilbebauung wäre ein ökologisches Trauerspiel. Sie würde rundum eine derartige zusätzliche Verkehrsbelastung mit sich bringen, daß der Fluglärm dagegen eine Kleinigkeit wäre. Auch diejenigen Tempelhofer, die gegen den Flugplatz sind, und das ist nicht die Mehrheit, würden ihre Ansicht revidieren.





Zur Frage der Sicherheit, die ebenso unaufrichtig aufgeworfen wird: Ja, überall und immer kann etwas passieren, aber seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist noch kein Anwohner durch einen Flugunfall ums Leben gekommen, wohl aber Hunderte im Straßenverkehr der umliegenden Bezirke, dazu Tausende von Verletzten und Schwerverletzten. Auch das Argument des einzig richtigen Single-Airports für Berlin ist höchst unglücklich. Schönefeld liegt am Rande einer Mehrmillionenstadt. Viele andere Städte haben ihren City-Airport und sind glücklich darüber, daß sie ihn besitzen. Ausländische Geschäftsleute bevorzugen Plätze, von denen aus sie das Zentrum schnell erreichen.





Eine Berlin in vielem vergleichbare Stadt wie Washington etwa hat ebenfalls drei Plätze, Dulles Airport, Washington-Baltimore und National, vier Kilometer vom Weißen Haus entfernt. Von allen drei Plätzen aus kann man gleichermaßen etwa nach New York fliegen. Da viele Flugreisende nicht auf die Anfahrt mit dem Auto verzichten wollen, würde man künftig ständig von Berlins Mitte und den westlichen Stadtteilen quer durch die Stadt nach Schönefeld und wieder zurückfahren, eine weitere vermeidbare Unfallquelle und Abgasbelastung, da man ja einen näheren Flugplatz zur Verfügung hätte.





Muß man sich an einen immer wieder zitierten Konsensbeschluß halten, wenn er doch von Anfang an falsch und zumindest überholt ist? Tempelhof unrentabel?



Das Angebot seriöser Fluggesellschaften wie das der dba, den Platz zu übernehmen und rentabel zu betreiben, wurde nicht einmal beantwortet. Man will ja, daß der Airport defizitär arbeitet, um ihn schließen zu können. Die Berliner nähmen ihn nicht an? Sie haben ja kaum Gelegenheit dazu, da die Gesellschaften personalsparend von Tegel aus fliegen wollen oder von Tempelhof abgezogen wurden.





Ich wäre durchaus für den ersehnten Repräsentativbau BBI, aber unter maßvoller Beibehaltung der beiden anderen Airports.





Es kann nicht nur darum gehen, was rentabler ist, sondern was den Berlinern und ihren Bedürfnissen dient. Wenn, vor allem, der Flughafen Tempelhof bebaut wird, so wäre das eine irreparable Schädigung der Berliner Infrastruktur.



http://www.welt.de/data/2006/03/27/865945.html


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