Mit der Sparvariante schneller zum Großflughafen
Neuer Vorschlag soll Schönefeld-Ausbau eine Milliarde Euro billiger machen. Politik reagiert zurückhaltend
Von Klaus Kurpjuweit
Supermodern und teuer oder einfacher und billiger – der Ausbau Schönefelds zum Flughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) bleibt umstritten. Heute stellen der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee das Modell des neuen Abfertigungsgebäudes sowie die aktuellen Planungen vor. Auf der anderen Seite haben Planer jetzt erneut vorgeschlagen, die Pläne zu ändern und den Flughafen schneller und billiger auszubauen. Sie wollen insgesamt mehr als eine Milliarde Euro sparen und die erste Ausbaustufe bereits 2008 statt Ende 2011 eröffnen. Tegel bliebe bei diesem Modell bis etwa 2020 in Betrieb.
Die Flughafengesellschafter Berlin, Brandenburg und der Bund wollen den Alternativvorschlag allerdings nicht weiter prüfen. Dieses Konzept sei weder realistisch noch sinnvoll, sagte Flughafensprecher Ralf Kunkel. Hier werde „alter Wein in neuen Schläuchen“ angeboten.
Der neue Vorschlag des Projektentwicklers Konzept plus ist in der Tat ein alter. 2003 war er verworfen worden, um das laufende Planfeststellungsverfahren für den Flughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) in der vorgesehenen Form nicht zu gefährden. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 16. März diesen Beschluss im Grundsatz bestätigt habe, könne man das neue Konzept jetzt darauf aufbauen, sagt Konzept-plus-Chef Reinhard Müller zur neuen Vorlage. Sie sei mit dem Planfeststellungsbeschluss für BBI vereinbar.
Das BBI-Konzept, das nach Müllers Angaben bis 2020 insgesamt 3,56 Milliarden Euro kosten wird, sei in der Wendeeuphorie geplant worden. Da inzwischen klar sei, dass BBI kein internationales Drehkreuz werde, müssten die Pläne abgespeckt werden. Dann könne der Flughafen für insgesamt 2,68 Milliarden Euro ausgebaut werden. Berücksichtige man auch die Zinsen für Kredite, ließe sich, so Müller, über eine Milliarde Euro sparen.
Sein Konzept, das mit dem renommierten Londoner Architekturbüro HOK entwickelt worden ist, sieht vor, zunächst den Terminalausbau am heutigen Standort vorzunehmen. Die bestehenden Anlagen sollen integriert werden. Erst später sollte dann ein weiterer Abfertigungsbereich zwischen den Start- und Landebahnen errichtet werden. Allerdings viel kleiner als heute geplant. Und ohne unterirdischen Bahnhof. Statt dessen solle der heutige Bahnhof Schönefeld zum Flughafenbahnhof ausgebaut werden. Allein der unterirdische Bahnhof mit vier Gleisen für den Fern- und Regionalverkehr sowie zwei Gleisen für die S-Bahn soll nach bisherigen Angaben 496 Millionen Euro kosten. Wegen der enormen Kosten ist der geplante Bahnhofsbau, wie berichtet, auch intern bei der Bahn umstritten. Der Bau ist jetzt ausgeschrieben worden.
Das neue Abfertigungsgebäude am alten Standort für 15 Millionen Passagiere würde über eine Brücke mit dem bestehenden Bahnhof verbunden. Weil der Grundriss einem Ypsilon ähnelt, nennen die Planer ihr Modell Y-Konzept. Der Neubau am alten Standort und später auch das so genannte Midfield-Terminal zwischen den Startbahnen sollen mit einer internen Bahn, People-Mover-genannt, miteinander verbunden werden. Dies könnte auch eine Magnetbahn sein, wie sie für Schönefeld bereits einmal erwogen worden war.
2020 soll es dann die neue südliche Start-und Landebahn mit dem zusätzlichen Abfertigungebäude für weitere 20 Millionen Passagiere geben. Erst danach würde Tegel geschlossen. Die aktuellen Pläne sehen vor, dass Tegel geschlossen wird, wenn BBI ein halbes Jahr im Betrieb war. Dies könnte 2012 sein.
Beim Flughafen und dessen Gesellschaftern stößt das Y-Modell auf kein Verständnis. „Etwas anderes als beantragt darf und kann nicht gebaut werden“, sagt Lothar Wiegand vom brandenburgischen Infrastrukturministerium, das den Ausbau Schönefelds in der jetzigen Form genehmigt hat. Im Vorfeld seien viele Varianten diskutiert – und verworfen worden.
Senatssprecher Michael Donnermeyer verwies auf die weit fortgeschrittene Planung für BBI. Seiner Ansicht nach machten sich jetzt einige Leute nur wichtig. Das Bundesfinanzministerium erklärte, das Verkehrsministerium müsse vor einer Stellungnahme den Vorschlag fachlich prüfen. Und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) teilte mit, man habe von einer „vertieften Befassung“ abgesehen, weil das Bundesverwaltungsgericht den Beschluss zum Großflughafen BBI im Wesentlichen bestätigt habe.
Flughafensprecher Ralf Kunkel bezweifelt, ob es möglich wäre, eine Milliarde Euro einzusparen. Ein Betrieb mit zwei Abfertigungsbereichen sei auf Dauer teuer. Für Kunkel ist das Y-Modell auch nicht vereinbar mit dem Planfeststellungsbeschluss für BBI.
Dem widersprecht der Experte für Luftverkehrsrecht, Elmar Giemulla.Entscheidend sei, dass sich die „technische Gesamtkapazität“ des Flughafens nicht ändere. Allerdings reicht die Rollwegkapazität in Schönefeld bisher nur für 9 Millionen Passagiere im Jahr, während das Y-Konzept von 15 Millionen ausgeht.
Dass Vorfeldflächen auch ohne Planfeststellungsverfahren geändert werden können, zeigt die Flughafengesellschaft derzeit in Tegel. Dort hat sie im militärischen Teil Abstellplätze für Flugzeuge aufgegeben, um näher am Terminal neue bauen zu können. Klagen dagegen laufen.
Bitte aufs Kleingeld achten
Gerd Appenzeller
Nur keine Zeit verlieren! Getreu dieser durchaus nachvollziehbaren Devise wollen die Träger des künftigen Flughafens BBI, Berlin-Brandenburg-International, nun die Planungen vorantreiben, nachdem die Leipziger Richter prinzipiell grünes Licht für den Airport am Rande der Stadt gegeben haben. Die Regierungschefs von Berlin und Brandenburg werden heute zusammen mit dem Bundesverkehrsminister und der Geschäftsführung der Berliner Flughäfen über den aktuellen Stand berichten und ein neues Modell des künftigen Terminals vorstellen.
Da passt ihnen ein alternatives Konzept nicht in den Kram. Die Beschäftigung damit droht, so meinen sie, nur Zeit zu kosten. An einer vertieften Betrachtung haben die Beteiligten kein Interesse. Das signalisieren die ersten Reaktionen auf die Nachfragen des Tagesspiegel sehr deutlich. Dabei kennen der Bund und die beiden beteiligten Länder das Konzept recht genau. Es war ja 2003 schon einmal in der Diskussion und wurde damals lediglich verworfen, um das laufende Planfeststellungsverfahren nicht zu gefährden.
Diese Sorge muss man sich jetzt nicht mehr machen. Die Initiatoren des so genannten Y-Konzeptes wollen auf der vom Bundesverwaltungsgericht festgeschriebenen Rechtslage aufbauen. Ob ihre Idee vor der Realität Bestand hat, muss sorgfältig geprüft werden. Immerhin geht es hier um eine mögliche Kostenersparnis von über einer Milliarde Euro und einen denkbaren Zeitgewinn von mehreren Jahren. Um beides zu erreichen, verzichten die Planer auf einen gigantischen, unterirdischen Bahnhof und dimensionieren auch den Flughafen selbst zunächst kleiner – mit der Option, bei späterem Bedarf zu erweitern. Angesichts der bekannten Berliner Tendenz zur eher großspurigen Planung und vor allem im Blick auf den Steuerzahler, der das ja alles finanzieren muss, klingt das alles nicht unvernünftig. Vor diesem Hintergrund wäre es absolut unverständlich, wenn die Gesellschafter des künftigen Flughafens genauso gelangweilt wie überheblich jegliche Beschäftigung mit dem Y-Konzept verweigern.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/archi ... 26397.asp#