Bund hält weiteren Flugverkehr auf City-Flughafen offenbar für möglich
BERLIN Offiziell weiß niemand etwas. Gerüchte, wonach Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) am Wochenende mit den Ministerpräsidenten Brandenburgs und Berlins, Matthias Platzeck und Klaus Wowereit (beide SPD), über neue Entwicklungen beim Berliner Flughafen Tempelhof gesprochen hat, wurden im Vorfeld abgeblockt. In der Potsdamer Staatskanzlei wollte man keinen Kommentar abgeben, in Berlin hieß es kategorisch, ein solches Gespräch gäbe es nicht.
Und doch ist offenbar etwas im Busch – und zwar eine spektakuläre Wende in Sachen Tempelhof. Nach bisherigen Planungen soll der Flughafen in der Berliner Innenstadt im Zuge des Baus des neuen Airports Berlin-Brandenburg International (BBI) in Schönefeld (Dahme-Spreewald) geschlossen werden. Wowereit und Platzeck haben mehrfach erklärt, ein Weiterbetrieb Tempelhofs würde die mühsam juristisch durchgeboxte Genehmigung für den BBI gefährden. Der Schließungsbescheid für Tempelhof ist erteilt, das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat ihn bestätigt. Im Oktober 2008 soll die Akte Tempelhof geschlossen werden. Doch nun liegt dem Bundesfinanzministerium ein neues Rechtsgutachten vor, das offenbar im Grundsatz den Bau von BBI und den Weiterbetrieb von Tempelhof für vereinbar hält. Darauf zumindest deutet das Wenige, das bisher nach außen dringt, hin.
Der Bund hat ein Interesse daran, den Flugverkehr in Tem pelhof zu erhalten. Denn nach den jetzigen Plänen bliebe er 2008 als Eigentümer auf der riesigen Immobilie sitzen, die zu 90 Prozent leersteht. Vermarkten lassen sich die Flächen nach Einschätzung von Experten nur, wenn zumindest ein Minimum an Flugverkehr aufrecht erhalten wird.
Potenzielle Partner gibt es: Die Deutsche Bahn hat angeboten, den Flughafenbetrieb zu übernehmen. Und eine US-amerikanische Investorengruppe um Ronald Lauder aus der Gründerfamilie des Kosmetikkonzerns Estée Lauder will die Immobilie mit Leben füllen. Kern des Konzepts ist die Einrichtung einer Privatklinik, in die die Kunden per Flugzeug einschweben. Der Technologiekonzern Siemens will als Ergänzung dazu einen Gerätepark für Medizintechnik in Tempelhof einrichten. Außerdem sind Büros, Gastronomie und Geschäfte geplant.
350 Millionen Euro wollen die US-Investoren nach eigenen Angaben in Tempelhof investieren. Die Bahn selbst erwägt ein Abfertigungsterminal für etwa 15 Millionen Euro zu errichten, so Wolf-Dieter Siebert, Chef der für das Projekt zuständigen Bahn-Sparte Station & Service, in der vergangenen Woche bei einer Veranstaltung der "Initiative Hauptstadt Berlin".
Linienverkehr mit regelmäßigen Verbindungen in alle Welt werde es in Tempelhof aber definitiv nicht geben, stellte Siebert klar. Gedacht sei vielmehr an eine Art "eingeschriebene Mitglieder", die sich das Recht erkaufen, in Tempelhof landen zu können. Erste Gespräche mit Firmen, die als Kunden in Frage kämen, würden geführt.
Darüber, wieviele Fluggäste notwendig sind, um Tempelhof rentabel zu betreiben, hüllt sich Siebert in Schweigen. Im vergangenen Jahr steuerten gerade einmal 45 000 Privatpassagiere Tempelhof an. Darüber, was passiert, wenn solvente Kunden ausbleiben, kann nur spekuliert werden. Ronald Lauder hat in Berlin bereits einschlägige Erfahrungen gemacht. 400 Millionen Euro wollte er in den 90er Jahren in ein "American Business Center" am symbolträchtigen Checkpoint Charlie stecken. Doch die erhofften Ansiedlungen kamen nicht. Lauder zog sich aus dem Projekt zurück. Kurze Zeit später meldete es Insolvenz an.
Ort mit Geschichte
Der britische Star-Architekt Norman Foster bezeichnet Berlin-Tempelhof als „Mutter aller Flughäfen“. 1923 wurde er in Betrieb genommen und war in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts der größte Flughafen Europas. Das Flughafengebäude zählt sogar zu den größten geschlossenen Gebäudekomplexen der Welt. 1948 wurde Tempelhof zum Symbol des Kalten Krieges, als dort britische und amerikanische „Rosinenbomber“ landeten, die West-Berlin während der russischen Blockade mit Nahrungsmitteln versorgten. Heute ist Tempelhof mit gut 600 000 Passagieren im Jahr 2006 der kleinste der drei Berliner Flughäfen. us
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