Jedem Landesfürsten seinen Flughafen
Ein deutsches Airportsystem, die Verlagerungen von Flügen auf die Schiene sowie Ausweich-Plätze für Fracht und Ferienflieger könnten den Wald retten -sind aber allesamt äußerst unwahrscheinlich.
Es klingt auf den ersten Blick überzeugend logisch: Wenn selbst Lufthansa Kurzstreckenflüge von Köln, Düsseldorf oder Stuttgart nach Frankfurt als unwirtschaftlich und damit als zu teuer bezeichnet, könnten die innerdeutschen Flüge auf die Schiene verlagert und Platz für zusätzliche Langstreckenjets mit Ziel New York, Rio oder Tokio geschaffen werden. Das bringe dem Flughafenbetreiber Fraport und seinem Hauptkunden Lufthansa zusätzliche Interkontinental-Kapazitäten. Lufthansa hatte dafür ein Potenzial von rund 25 000 Flügen pro Jahr identifiziert. Die Zahl zeigt die Schwäche des Entlastungs-Arguments. Im vergangenen Jahr starteten und landeten in Frankfurt 477 000 Flugzeuge. Fünf Prozent davon sind 23 850. Da gleichzeitig die jährliche Zunahme des Flugverkehrs auf vier bis sechs Prozent veranschlagt wird, würde die Verlagerung gerade Mal Luft für ein Jahr verschaffen.
Auch ein funktionierendes Flughafensystem und damit die Aufteilung des Luftverkehrs auf mehrere Standorte ist theoretisch ein interessanter Ansatz. Mitte der 90er Jahre hatte Frankfurts Flughafenchef Wilhelm Bender das am Beispiel einer Kooperation Frankfurts mit Köln vorgeschlagen - und sich eine rüde Absage eingehandelt. Bender hatte laut nachgedacht, den Charter- und Ferienflugverkehr in Köln zu konzentrieren und dafür die Europa-Ziele im Linienverkehr mehr nach Frankfurt zu verlegen. Der Protest des Kölner Airports einschließlich der Landesregierung von Nordrheinwestfalen war laut. Köln wollte und sollte natürlich weiterhin mit Europa verbunden sein.
In Bayern legt sich Ministerpräsident Edmund Stoiber zurzeit mächtig ins Zeug, den Frankfurtern noch einige Langstreckenflüge abzuluchsen und den Ruf der bayerischen Landeshauptstadt als Tor zur Welt zu nähren. Man fühlt sich an die Zeit der Fürsten und Landvogte erinnert. Jeder will seinen eigenen Flughafen haben. Die Folge: Politisch lässt sich ein deutsches Flughafensystem offenbar nicht durchsetzen.
Auch Nachtflugverbot zweifelhaft
Ob am Frankfurter Airport - wie vereinbart - als Kompensation für den Ausbau und die steigende Zahl der jährlichen Starts und Landungen auf mindestens 660 000 ein absolutes Nachtflugverbot erlassen wird, ist ebenfalls höchst zweifelhaft. Lufthansa hat bereits mit Klage gedroht. Die Gesellschaft will ein "praktikables Nachtflugverbot", das Platz lässt für nächtliche Frachtflüge von LH-Cargo und die Ferienflieger der Lufthansa-Tochter Thomas Cook.
Die Fracht, argumentiert Lufthansa, könne nicht einfach an einen anderen Airport verlegt werden. Denn 40 Prozent der Güter befinden sich als "Beiladefracht" im Bauch von Passagiermaschinen. Nur 60 Prozent wird von reinen Frachtmaschinen befördert. Wenn die aus Shanghai oder San Francisco in Frankfurt einschwebt, ist die Ladung meist nicht komplett für das Rhein-Main-Gebiet bestimmt. Ein Teil wird als Beiladefracht über ganz Europa verteilt. "Wir können die Fracht organisatorisch nicht trennen", sagt LH-Cargo-Sprecher Niels Haupt. Würde ein reiner Frachter statt in Frankfurt auf dem Flughafen Hahn im Hunsrück landen, müsste ein Teil der Waren aufwändig in Lkws umgeladen und auf der Straße nach Frankfurt gebracht werden. Das würde, sagt Haupt, Lieferungen zeitlich unattraktiv machen und zur Abwanderung der Luftfracht auf andere Flughäfen führen.
Ein ähnliches Problem führen Ferienflieger wie Condor, Aero Flight, LTU oder Air Berlin an. Wenn die Jets aus Antalya, Mallorca, Alicante oder Mykonos spätestens um 23 Uhr in Frankfurt landen müssten, seien die Flüge für die Unternehmen nicht mehr rentabel. Dann könnten die Maschinen nicht vier Mal pro Tag zwischen Deutschland und den Mittelmeerländern pendeln. Das geht momentan noch, weil viele Flugzeuge erst zwischen Mitternacht und 1 Uhr in Frankfurt landen. Entweder, sagen die Airlines voraus, müssten sie Frankfurt dann aus dem Flugplan streichen oder die Flüge ab "FRA" würden entsprechend teurer werden. Konsequenzen, die auch die Bevölkerung im Rhein-Main-Gebiet träfen.
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