Frankfurt (Reuters) - Die jahrelangen Auseinandersetzungen um den Ausbau des Frankfurter Flughafens gehen kommende Woche in die entscheidende Runde.
In einer sechs Monate dauernden Mammutanhörung muss sich der Flughafenbetreiber Fraport den 127.000 Einwendungen stellen.
Die vierte Bahn, im Nordwesten des Flughafens und nur für Landungen geplant, ist umstritten wie einst der Bau von Atomkraftwerken. Zum Auftakt der Anhörung am Montag werden mehrere Tausend Demonstranten am Tagungsort, der Stadthalle in Offenbach, erwartet. Zusätzlichen Zündstoff bringt der zeitgleiche Beginn der Rodungsarbeiten für die umstrittene Airbus-A-380-Halle von Lufthansa nahe des Flughafens.
Fast alle der knapp 60 betroffenen Städte, Gemeinden und Kreise rund um Frankfurt haben Einsprüche gegen den 3,4 Milliarden Euro teuren Ausbau eingereicht. Aus Sicht der börsennotierten Fraport AG steht mit der vierten Bahn die Zukunft Frankfurts als internationale Verkehrsdrehscheibe im Wettstreit mit großen Flughäfen in London und Paris auf dem Spiel. "Der Flughafen Frankfurt ist für die gesamte deutsche Exportwirtschaft von zentraler Bedeutung und darf international nicht den Anschluss verpassen", sagt Fraport-Chef Wilhelm Bender. Mit der neuen Bahn würden in der Region 100.000 zusätzliche Jobs geschaffen, verspricht Fraport. Gegner ziehen dies in Zweifel.
Für zigtausend Bürger im Rhein-Main-Gebiet geht es um wachsenden Fluglärm, die Gefahr von Flugzeugabstürzen über Wohn- und Industriegebieten und die Zerstörung von Naturschutzarealen. Schon heute klagen rund um die Start- und Landebasis für jährlich mehr als 50 Millionen Passagiere viele Menschen über schlaflose Nächte. Pro Stunde startet oder landet derzeit im Schnitt 80 Mal ein Flugzeug in Rhein-Main, bei schlechtem Wetter und nachts seltener. Den Ausbauplänen zufolge sollen 2015 dann 120 Flugbewegungen pro Stunde möglich sein. Die Jahreskapazität soll auf gut 80 Millionen Passagiere und 660.000 Flüge wachsen.
NEUE LANDEBAHN BEREITS ZWEI JAHRE IN VERZUG
Strittig ist, ob der Landeanflug bei der neuen Bahn unmittelbar über den Türmen des Chemiewerks Ticona vereinbar mit EU-Störfallrecht ist oder das Werk möglicherweise verlegt werden müsste - auf Kosten von Fraport. Schließlich rügen Umweltschützer, dass die EU-Richtlinien für das Schutzgebiet, in das die Bahn gebaut würde, nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.
Das Verfahren ist bereits zwei Jahre in Verzug: Eigentlich sollte in diesem Jahr der Bau beginnen, nun ist dafür 2007 angepeilt, die Inbetriebnahme für Ende 2009 geplant - sechs Jahre vor Ende des Planungszeitraums. Die Gegner rechnen sich Chancen aus, das Verfahren weiter zu verzögern oder sogar am Ende ganz zu kippen. An eine Genehmigung dürften sich jahrelange Gerichtsverfahren anschließen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert, Prognosen über 2015 hinaus und die technisch mögliche Kapazität des vergrößerten Flughafens zur Grundlage des Verfahrens zu machen. Möglich seien 900.000 Flugbewegungen jährlich. Damit aber wären die Fraport-Annahmen zu zusätzlichem Fluglärm, Absturzrisiko und Umweltverträglichkeit hinfällig.
WAS WILL LUFTHANSA?
Eine besondere Rolle im Verfahren spielt die Deutsche Lufthansa. Der frühere Chef der mit Abstand wichtigsten Fluggesellschaft in Frankfurt, Jürgen Weber, hat 1997 als erster einen weiteren Ausbau gefordert. Nun ist das Unternehmen prominentester Einwender. Öffentlich wendet sich Lufthansa nur gegen das mit dem Ausbau geplante Nachtflugverbot zwischen 23.00 und 05.00 Uhr. Dieses Verbot ist ein Zugeständnis an die Gegner und wurde auch von der CDU-geführten Landesregierung zugesagt.
Doch in der umfangreichen Lufthansa-Einwendung werden nach Informationen aus dem Umfeld des Unternehmens zahlreiche Prognosen von Fraport kritisch beleuchtet. "Die Lufthansa-Juristen haben gründlich gearbeitet", sagt ein Mitarbeiter. Öffentlich bekennt sich Lufthansa uneingeschränkt zur vierten Bahn. Ausbaugegner jedoch mutmaßen, dass das Unternehmen mit dem Einstieg am Flughafen München, der Übernahme der Schweizer Swiss und dem Zugriff auf den Flughafen Zürich nun weniger stark auf Frankfurt angewiesen ist als in der Vergangenheit. So würde die vierte Bahn vor allem für aufstrebende Konkurrenten wie die arabische Emirates dringend benötigte zusätzliche Flugzeiten verschaffen. "Das kann Lufthansa eigentlich gar nicht wollen", sagt der Flughafenkenner Dieter Faulenbach da Costa, der die Stadt Offenbach bei ihren Einwendungen berät.
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