Tante Ju und Hi-Flyer bleiben am Boden
Flugverbot über der Innenstadt gilt auch für touristische Attraktionen
Andreas Kopietz und Thorkit Treichel
Die Schlange am Kassenhäuschen für den Hi-Flyer am Potsdamer Platz war gestern länger als sonst. Viele Leute wollten die letzte Gelegenheit nutzen, mit dem Fesselballon aufzusteigen. Ab heute ist Schluss damit. Denn über der Berliner Innenstadt gilt eine Flugverbotszone ausnahmslos für alle Privatflugzeuge.
Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) hat sie angeordnet. Er reagierte damit auf den Absturz eines Doppeldeckers vor dem Reichstag. Jene Zone, die es Terroristen erschweren soll, sich mit Flugzeugen auf das Regierungsviertel zu stürzen, gilt im Gebiet des S-Bahn-Rings, ausgenommen ist der Flughafen Tempelhof. Ein letztes Mal wollten gestern viele Hobbyflieger einen Blick auf die Stadt werfen. "Deshalb war im Tower in Tempelhof die Hölle los", sagt ein Pilot.
In der Fliegerbranche hat der Stolpe-Erlass einen Proteststurm ausgelöst. "Es gibt kein bisschen mehr Sicherheit, weil man nur Sekunden vom Beginn der Verbotszone bis zum Zentrum braucht", sagt Thomas Kärger vom Deutschen Piloten Controller Club. "Das ist Verdummung der Leute." Der Verband der Allgemeinen Luftfahrt wirft Stolpe vor, eine nicht existierende Bedrohung mediengerecht zu bekämpfen. Die Sprecherin der Berliner Flughäfen, Rosemarie Meichsner, sieht noch viel Gesprächsbedarf. "Die Verantwortlichen, die dieses Verbot erlassen haben, hätten vorher wissen müssen, dass es private Unternehmen in ihrer Existenz bedroht."
Betroffen sind vor allem Firmen, die Rundflüge über der Stadt anbieten. Viele sind auf Flugplätzen wie Schönhagen südlich der Stadt stationiert. Am Boden bleiben muss aber auch die in Tempelhof parkende alte JU 52 der Lufthansa. Der für heute geplante Flug für krebskranke Kinder wird wohl nicht stattfinden.
Vor dem Ruin sieht sich auch die seit 15 Jahren existierende Fluggesellschaft Air Service Berlin, deren Geschäft zu 80 Prozent über Berlin stattfindet. Die 40 Beschäftigten betreiben ein Wasserflugzeug, einen Helikopter, den "Rosinenbomber" - und eben auch den Ballon am Potsdamer Platz, der den Regeln der Fliegerei unterliegt. "Wir sind ja für mehr Sicherheit", sagt Geschäftsführer Frank Hellberg. "Aber man muss uns doch unsere Arbeit machen lassen." Am Hi-Flyer sieht man Hellberg zufolge die Absurdität des Stolpe-Erlasses. Vollends irrsinnig wird die Regelung für ihn angesichts der Tatsache, dass jedes Ultraleichtflugzeug, das in Brandenburg startet, künftig weiterhin Tempelhof anfliegen kann - und folglich in Sekunden über dem Regierungsviertel wäre.
Am Sonnabend hat Hellberg einen Antrag auf Ausnahme vom Flugverbot an die Senatsverkehrsverwaltung geschickt. Doch die kann den Brief nur weiterleiten an das Bundesverkehrsministerium. Vielleicht wird SPD-Innensenator Ehrhart Körting wohlwollende Anmerkungen beifügen. Immerhin will er sich nach Angaben seines Sprechers Bernhard Schodrowski für "einige wenige Ausnahmen" einsetzen. Bereits am Freitag habe der Senator in den Gesprächen mit Minister Stolpe auf die Besonderheiten des Tourismus in Berlin hingewiesen. "In dieser Hinsicht befürwortet der Innensenator auch eine Ausnahmegenehmigung für den Ballon", sagt Schodrowski. "Denn der stellt ja nun wirklich keine Gefährdung dar." Dieser Meinung waren gestern auch die Fahrgäste: "Das Flugverbot ist nur Wahlpropaganda der SPD", argwöhnt Eckhard Filbert aus Neukölln. Torsten John, der neben dem Ballon Würstchen verkauft, findet das Verbot unmöglich: "Touristen werden zu Terroristen gemacht."
http://www.berlinonline.de/berliner-zei ... 70470.html
Es ist immer wieder bedauerlich ansehen zu müssen, wie kurzsichtig Politik denkt und handelt.