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 Betreff des Beitrags: Perspektiven ohne Profit
BeitragVerfasst: Freitag 23. Juni 2006, 09:15 
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Registriert: Freitag 29. April 2005, 19:14
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Perspektiven ohne Profit



Länder und Kommunen wollen am Wachstum des Luftverkehrs in Deutschland teilhaben und investieren großzügig in den Ausbau von Flughäfen. Sie hoffen auf Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze. Studien warnen aber, dass nur wenige Regionalflughäfen wirtschaftlich arbeiten können.



Wenn die kleine Maschine nur wenige Meter über dem Meer zur Landung ansetzt, ist vom Flughafen noch nichts zu sehen. Der besteht aus kaum mehr als einem schäbigen Gebäude und einer Landebahn, deren Anfang und Ende die Schaumkronen der Wellen unablässig benetzen. Doch ohne diesen und andere Mini-Flugplätze, deren Bau auch die deutsche Bundesregierung unterstützt hat, gäbe es kaum Verkehrsverbindungen zwischen den verschiedenen kapverdischen Inseln. Hier zu Lande haben Regionalflughäfen primär eine andere Funktion. Sie gelten aus Sicht ihrer Befürworter als Infrastrukturprojekte, die Arbeitsplätze schaffen und die regionale Wirtschaft stärken. Kritiker sehen darin Prestigeprojekte, die meist eine Verschwendung öffentlicher Gelder bedeuten. Ein rentabler Betrieb sei nur in wenigen Fällen möglich. Der Ausbau kleinerer Flughäfen und die damit verbundenen Investitionen sorgen seit Jahren für politischen Streit.



Stark wachsende Passagierzahlen



Der Luftverkehr gilt als Wachstumsmarkt. 2005 starteten und landeten rund 146 Millionen Passagiere auf deutschen Flughäfen. Das waren etwa zehn Millionen mehr als im Jahr zuvor und 25 Millionen mehr als 2003. Die hohen Zuwachsraten gehen überwiegend auf das Konto der Auslandsverbindungen. Doch gerade erst vermeldete das Statistische Bundesamt für das erste Quartal 2006 auch ein Rekordergebnis für die Inlandsflüge im vereinigten Deutschland. 19 internationale Verkehrsflughäfen und zahlreiche kleinere Regionalflughäfen konkurrieren auf dem deutschen Markt um Passagiere und Fracht. Der Aufschwung der Billigflieger hat vielerorts Hoffnungen geweckt. „Der Luftverkehr ist ein Katalysator für die wirtschaftliche Entwicklung und wichtiger Garant für hoch qualifizierte Arbeitsplätze“, sagt Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD).



Dieser Auffassung sind auch viele Landes- und Kommunalpolitiker. Zwar ist der Bund im Prinzip für die Luftverkehrsverwaltung zuständig. Doch mit dem Luftverkehrsgesetz hat er den Ländern eine Vielzahl von Aufgaben zugewiesen, darunter die Genehmigung von Flugplätzen. Insofern liegt die Zuständigkeit für die Flughafenentwicklung in erster Linie bei den Bundesländern. Kreise, Städte und Gemeinden, die meist als Gesellschafter an den Flugplätzen beteiligt sind, verfolgen ihrerseits ökonomische Interessen. Die schnelle Anbindung an den Luftverkehr gilt als Standortvorteil. Flughäfen ziehen Unternehmen an, so das Kalkül, das als Begründung für öffentliche Fördergelder dient. Die Wirklichkeit sieht jedoch vielfach anders aus und veranlasste die Deutsche Bank Research in einer Studie vom November 2005 dazu, die große Mehrheit der Regionalflughäfen als „Prestigeprojekte der Regionalfürsten“ zu bezeichnen. Nur wenige erreichen demnach die kritische Größe und lassen sich wirtschaftlich betreiben. „Der geplante Ausbau der meisten Regionalflughäfen bedeutet eine Verschwendung von knappen öffentlichen Mitteln“, heißt es in der Studie.



Wirtschaftliche Risiken für Regionalflughäfen



Schon jetzt verfügt Deutschland über ein ungewöhnlich dichtes Netz von Flughäfen. Zu einem von ihnen zu gelangen, ist für zwei Drittel der Bundesbürger innerhalb einer Stunde möglich. Das sorgt für große Konkurrenz zwischen den Regionalflughäfen, die sich gegenseitig Passagiere abjagen. Sie müssen auch im Wettbewerb mit den internationalen Drehkreuzen Frankfurt und München und so genannten Sekundärflughäfen wie Düsseldorf, Berlin-Tegel und Hamburg bestehen. Während die Mitglieder einer dritten Kategorie, die Tertiärflughäfen wie Dresden, Saarbrücken und Münster, durch große Linienfluggesellschaften wie Lufthansa an das internationale Luftverkehrsnetz angeschlossen sind, handelt es sich bei Quartiärflughäfen um die Regionalflughäfen im engeren Sinn. Sie sind oft von einem Billigflieger oder wenigen Anbietern abhängig. Diese verfügen damit über erhebliches Druckpotenzial, um ihre Kosten zu minimieren. „Für Regionalflughäfen stellt das Geschäft mit Billigfliegern vielfach die einzige Chance dar, Verkehr anzuziehen, auch wenn die Rentabilität nicht gewährleistet ist“, folgerte die Boston Consulting Group 2004 in einer Untersuchung. Diese Einschätzung teilte eine Booz-Allen-Hamilton-Studie von 2005: „Die Abhängigkeit von ein bis zwei Low-Cost-Carriern beinhaltet ein hohes Risiko der Abwanderung und damit den Verlust der Geschäftsgrundlage.“ Als Denim Airways im Frühjahr 2005 sämtliche Verbindungen am Augsburger Flughafen strich, musste die Betriebsgesellschaft kurz darauf Konkurs anmelden.



Die Schwierigkeiten der öffentlichen Förderung von Regionalflughäfen zeigen sich auch in Rostock. Die Erweiterung des dortigen Terminals beschrieb die Finanzministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Sigrid Keler (SPD), Ende 2005 als beispielhafte Investition der Landesregierung, die dafür 25 Millionen Euro bereitgestellt hatte. Wirtschaftsminister Otto Ebnet (SPD) äußerte sich in einer Landtagsdebatte im Mai 2006 zurückhaltender und räumte ein, dass bei den Flughafen-Investitionen nicht alle Entscheidungen richtig gewesen sein. Dennoch fließen Jahr für Jahr weitere 1,6 Millionen Euro aus dem Haushalt an den Rostocker Flughafen. Der Bund der Steuerzahler hatte zuletzt die Förderpolitik Mecklenburg-Vorpommerns in diesem Bereich scharf kritisiert. Mitte Juni 2006 berichtete die Ostsee-Zeitung dann von gravierenden finanziellen Problemen, die durch stark gestiegene Baukosten des zuvor eröffneten Terminals bedingt seien. Die Stadt Rostock und der Flughafen relativierten den Bericht und wiesen Spekulationen über eine drohende Insolvenz zurück.



Dennoch arbeiten wenige Regionalflughäfen rentabel. Verluste begleichen letztlich oft die Steuerzahler. Denn die Flughäfen befinden sich meist mehrheitlich im Besitz von Land, Kreis und Kommunen. Die wiederum haben häufig nicht allein die Wirtschaftlichkeit des Flughafens selbst im Blick. Die direkt oder indirekt entstehenden Arbeitsplätze sowie Unternehmensansiedlungen sollen zusätzliche Steuereinnahmen bewirken und die vorherigen Ausgaben für die Infrastruktur kompensieren. Im Auftrag der Interessengemeinschaft der Regionalflughäfen erstellte Professor Richard Klophaus vom Zentrum für Recht und Wirtschaft des Luftverkehrs im März 2006 eine Studie zu diesem Thema. Darin plädiert er dafür, den Ausbau von Regionalflughäfen „nicht nur betriebswirtschaftlich zu bewerten, sondern gerade auch volkswirtschaftlich als Investition zur Aufwertung der regionalen Infrastruktur“. Mit Blick auf die wachsende Standortkonkurrenz seien Wirtschaftsregionen auf eigene Verkehrsflughäfen angewiesen. Regionen mit guter Anbindung an den Luftverkehr weisen demnach eine bessere soziale und wirtschaftliche Entwicklung auf.



Finanz- und umweltpolitische Kritikpunkte



Vor diesem Hintergrund halten viele Landesregierungen an ihren Investitionen in die Flughäfen ebenso fest wie betroffene Städte. Kritiker dieser Praxis sind nicht nur die vom Lärm betroffenen Anwohner. Auch Umweltschützer, die sich generell an der Förderung des besonders klimaschädlichen Flugverkehrs stören, bringen regelmäßig ihre Einwände vor. Ihrer Ansicht nach geht die Förderung der Flughäfen zu Lasten der Investitionen in die Schiene. In der Folge verliere die Bahn zudem Kunden an die Fluggesellschaften. Mit Blick darauf brachte etwa die Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen in Bayern den Antrag ein, die Zuschüsse zum Ausbau von Regionalflughäfen im Haushalt 2005/2006 zu streichen.



Aus der inhaltlichen Kritik folgen zuweilen Forderungen nach einem klaren Flughafenkonzept des Bundes. Die regionalen Eigeninteressen sollen demnach hinter der übergeordneten Planung der Verkehrsinfrastruktur zurückstehen. Einen Schritt in diese Richtung bedeutet das Anfang 2006 vorgestellte Luftverkehrskonzept für Mitteldeutschland. Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt verständigten sich darin auf gemeinsame Ziele. Im Kern bleibt aber neben der Konzentration auf die Entwicklung von Leipzig/Halle zum interkontinentalen Verkehrsflughafen das regionale Nebeneinander bestehen. Erfurt, Dresden und Magdeburg oder Cochstedt sollen die weitere Nachfrage abdecken. Der Aufbau weiterer Kapazitäten wird allerdings als nicht sinnvoll erachtet.



Auf Bundesebene stammt das letzte veröffentlichte Flughafenkonzept aus dem Jahr 2000. Als wichtiges Schlagwort fungierte darin der „bedarfsgerechte Flughafen-Infrastrukturausbau“. Viele der seinerzeit angekündigten Maßnahmen waren kurzfristig angelegt und sind heute nicht mehr aktuell. Als wichtiges Forum für die künftige Entwicklung gilt mittlerweile die Initiative "Luftverkehr für Deutschland". Sie vereinte bei ihrer Gründung 2003 Lufthansa, die Deutsche Flugsicherung sowie die Betriebsgesellschaften der Flughäfen in Frankfurt am Main und München. 2004 übernahm das Bundesverkehrsministerium die Moderation der Initiative. Im Herbst desselben Jahres veröffentlichte sie einen „Masterplan zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur“. Bundesverkehrsminister Tiefensee wertet ihn als „geeignetes Handlungskonzept zur Entwicklung einer innovativen und gut ausgebauten Infrastruktur“.



Zu berücksichtigen sind bei den öffentlichen Investitionen in die Regionalflughäfen aber auch die Vorgaben aus Brüssel. 2005 verabschiedete die EU-Kommission eine gemeinschaftliche Leitlinie für die Finanzierung von Flughäfen. Darin unterstützt sie im Grundsatz die Entwicklung von Regionalflughäfen. Allerdings kontrolliert sie, inwieweit die Finanzierung der Infrastruktur oder Beihilfen zugunsten von Luftfahrtunternehmen dem Wettbewerbsgedanken sowie den Prinzipien Transparenz und Verhältnismäßigkeit widersprechen.



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