Pro Nacht sollen 92 Jets starten und landen
Fluglärm im Mittelpunkt des Schönefeld-Prozesses
VON JÜRGEN SCHWENKENBECHER
LEIPZIG. Wo die Grenze zwischen laut und leise verläuft, lässt sich nur schwer definieren. Vor diesem Dilemma steht derzeit auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das im Prozess um den Bau des Flughafens Berlin Brandenburg International (BBI) unter anderem klären soll, welche Lärmbelastungen - insbesondere nachts - den Anwohnern zugemutet werden können. Einen "unmöglichen Zustand" nannte es gestern der Vorsitzende Richter Stefan Paetow, dass es dafür keine gesetzliche Regelung gebe. Er machte zu Beginn der zweiten Verhandlungswoche aber deutlich, dass der Fluglärm in dem "relativ dicht besiedelten Gebiet" um Schönefeld für das Gericht eine der entscheidenden Fragen ist. Stundenlang hörte er sich die kontroversen Auffassungen der streitenden Parteien an.
Die Baugenehmigung für den BBI geht von jährlich 360 000 Flügen aus. Jede Nacht sollen demzufolge 92 Flugzeuge starten und landen. Der jetzige Flughafen Berlin-Schönefeld verfügt über eine bereits in der DDR erteilte uneingeschränkte Nachtfluggenehmigung.
Daran soll sich mit dem BBI auch nichts ändern. Im Gegenteil: Für die Flughafenplaner ist der Nachtflugbetrieb ein Kernpunkt. Anwalt Klaus-Peter Dolde, der das Land Brandenburg vertritt, begründete die Dringlichkeit vor allem mit kürzer werdenden Standzeiten der Flugzeuge und dem Frachtverkehr. Der passive Schallschutz für die Anwohner sei jederzeit gegeben.
Das sehen die Schönefeld-Kläger freilich ganz anders. "Der Lärmschutz wird geopfert zu Gunsten der akustischen Käfighaltung", beschrieb Anwalt Franz
Günter die zu erwartenden Belastungen für die Anwohner. Selbst der Flughafen München halte eine "Kernruhezeit" zwischen 24 und fünf Uhr ein. In Schönefeld dagegen würden die BBI-Planer selbst nach der Ansiedlung des Logistikunternehmens DHL am Flughafen Leipzig an der prognostizierten Frachtgutmenge von jährlich 600 000 Tonnen festhalten und damit einen Voraus-Bedarf schaffen - was die BBI-Planer als durchaus erwünscht und legitim bezeichneten.
Am Morgen hatte das Gericht erneut mehrere Beweisanträge der Schönefeld-Gegner abgewiesen. Sie hatten verlangt, die wirtschaftlichen Folgen des geplanten BBI zu klären. Das sei "keine entscheidungserhebliche Frage", stellte Richter Paetow klar. Die Verhandlung wird heute fortgesetzt.
http://www.berlinonline.de/berliner-zei ... 26428.html
Flughafen-Prozeß in Leipzig: Wie oft darf nachts geflogen werden?
Leipzig - Auftakt zur zweiten Sitzungswoche im Leipziger Prozeß um den geplanten Flughafen BBI in Schönefeld: Der Schutz der Anwohner vor Fluglärm stand gestern im Mittelpunkt, vor allem die Zumutbarkeit von uneingeschränkten nächtlichen Starts und Landungen.
Gerade die Frage danach stufte der Vorsitzende Richter des vierten Senats beim Bundesverwaltungsgericht, Stefan Paetow, als "sehr wichtig" in Bezug auf die Genehmigung des Flughafens ein - zumal es in Deutschland "eher die Ausnahme" sei, daß große Flughäfen über unbeschränkten Nachtflug verfügten.
Überdies eine schwierige Frage, da der Gesetzgeber, wie Paetow massiv monierte, keinerlei Grenz- oder Richtwerte vorgibt: "Das ist ein beklagenswerter und unmöglicher Zustand, daß der Gesetzgeber uns hier im Stich läßt, wir die Frage des Lärmschutzes bei jedem Verfahren wieder neu klären müssen." Grundsätzlich orientiere sich das Gericht daher an der Formel: Je dringlicher der Nachtflugbedarf, um so höher sein Gewicht gegenüber der Lärmbelastung, und umgekehrt - eine Formel, auf die die 4000 Kläger gegen den Planfeststellungsbeschluß für den BBI setzen. Denn der notwendige Bedarf insbesondere an nächtlichem Frachtflugverkehr ist nach Ansicht der Klägeranwälte für Berlin weder tatsächlich gegeben noch im Planfeststellungsbeschluß festgeschrieben und begründet. Statt dessen gingen Planfeststellungsbehörde sowie Flughafengesellschaft von einem "frei phantasierten Bedarf" von prognostizierten 95 nächtlichen Flugbewegungen und jährlich 600 000 Tonnen Frachtaufkommen aus, sagte Klägeranwalt Franz Günter Siebeck. Dies rechtfertige nicht den von der Planfeststellungsbehörde genehmigten 24-Stunden-Betrieb des BBI, sondern spreche für ein Nachtflugverbot. Ein Forderung, die das Gericht angesichts der Siedlungsdichte in Schönefeld gestern für äußerst prüfenswert hielt.
Die Anwälte der Gegenseite verteidigten mit Verweis auf den vorgesehenen passiven Lärmschutz (Lärmschutzfenster, Entschädigung) den uneingeschränkten Nachtflug. Überdies könne nicht nur der tatsächliche Bedarf zugrunde gelegt werden, sondern müßten Kapazitäten im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit vorgehalten werden.
http://morgenpost.berlin1.de/content/20 ... 810900.htm
Leipzig - Richter Stefan Paetow war zum ersten Mal ungehalten. In Rage gebracht hatten den Vorsitzenden des 4. Senats beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gestern aber weder Kläger noch Beklagte im Prozess um den Ausbau des Flughafens Schönefeld. Paetows Zorn richtete sich gegen den Gesetzgeber. „Es ist ein beklagenswerter Zustand, dass der Normgeber beim Bau von Flughäfen so versagt hat“, erregte sich der Richter des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts. Denn damit gibt es auch für die Anwohner eines Flughafens, der neu gebaut oder erweitert wird, keine gesetzlichen Vorgaben beim Lärmschutz – wie jetzt wieder beim geplanten Ausbau Schönefelds zum Flughafen Berlin-Brandenburg International (BBI).
Es sei ein unmöglicher Zustand, dass es beim Bau von Straßen oder Bahnstrecken eindeutige Vorgaben auch zum Lärmschutz gebe, bei Flughäfen aber nicht, sagte Paetow weiter. In jedem Verfahren würde unglaublich viel menschliche Arbeitskraft verschleudert.
Auch in der Schönefeld-Verhandlung arbeiten Kläger und Beklagte mit zahlreichen Gutachtern. Das Gericht muss sich durch Tausende von Akten wühlen. Weil es so umfangreiche Unterlagen gebe, lehnte das Gericht auch gestern weitere Beweisanträge der Klägeranwälte ab.
Am vierten Verhandlungstag ging es gestern zunächst um die Nachtflüge. Im Genehmigungsbeschluss sind dafür keine Einschränkungen vorgesehen. Dass lediglich „lärmarme“ Flugzeuge eingesetzt und die Start- und Landebahnen so angeordnet sind, dass möglichst wenig Menschen unter Lärm leiden, sei selbstverständlich, so der Vorsitzende Richter. Ein unbeschränkter Nachtflugbetrieb, wie ihn die Genehmigungsbehörde – das Infrastrukturministerium in Brandenburg – vorsieht, sei eine große Ausnahme bei deutschen und europäischen Flughäfen, sagte Paetow.
Einschränkungen im Flugbetrieb, etwa ein Verbot von Starts und Landungen zwischen Mitternacht und 5 Uhr, gehören zu den so genannten aktiven Schallschutzmaßnahmen – wie etwa Lärmschutzwände an Straßen oder Schienen. Dies gilt bei Flughäfen nicht. Die Genehmigungsbehörde hat sich in Schönefeld vor allem auf den passiven Lärmschutz konzentriert. Anwohner erhalten dann Schallschutzfenster und je nach Belastung eine Belüftungsanlage, sofern der Lärm nicht generell unzumutbar ist – dann muss die Flughafengesellschaft die Häuser und Grundstücke kaufen. Den passiven Lärmschutz hinter geschlossenen Fenstern bezeichnete der bayerische Verwaltungsgerichtshof als „akustische Käfighaltung“.
Ob das Gericht Auflagen beim nächtlichen Flugbetrieb machen wird, ist ungewiss. Das Gericht verwies auf frühere Entscheidungen, wonach die Auflagen umso geringer sind, je dringlicher der Bedarf ist. Und dieser blieb auch gestern vor Gericht strittig. Anwälte und Gutachter auf der Klägerseite sehen keinen Bedarf. Die Genehmigungsbehörde und ihre Gutachter haben eine Prognose von etwa 95 Flügen in der Nacht ermittelt. Die Verhandlung wird heute fortgesetzt.
http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/15 ... 354351.asp
Es kristallisiert sich heraus, dass das Gericht zwei Dinge als relevant erachtet. Zum einen die dem Planfeststellungsbeschluss zugrundeliegende Planung (Standortabwägung und Rechtmäßigkeit des LEP) und zum anderen die Lärmfrage.
Böse formuliert. Beides kann in der Situation in SXF zum k.o.-Kriterium werden. Beim ersten haben die Behörden versagt was echt zum Boomerang werden könnte.
Beim zweiten denke ich droht eher ein eingeschränktes Nachtflugverbot oder ein besserer Lärmschutz was wieder mit höheren Kosten verbunden ist.
Ich denke man wird den BBI nicht kippen - sollte mich wundern - und wenn dann aus den formalen Gründen das der LEP rechtswidrig ist. Er wird aber definitiv teurer - Lärmschutz!
Das einzige was mich daran stört: Weil Berlin bettelarm ist, werden wir alle mit unseren Steuern dafür aufkommen - über den Länderfinanzausgleich und mit Feststellung der Haushaltsnotlage beim BVerfG.