Joachim Hunold setzt zum Landeanflug an - - Börsengang zwingt Air-Berlin-Chef zu mehr Offenheit
10.5.2006, Frankfurt/Main, 10. Mai (AFP) - Joachim Hunold ist ein Freund klarer Worte. Schnodderig tadelt der Chef von Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft, Air Berlin, die Konkurrenz als "alte Möhren". Analysten und Unternehmensberater haben "alle keine Ahnung" und eine grüne Kommunalpolitikerin betitelte er als "grüne Tussi", weil sie sich für ein Nachtflugverbot in Düsseldorf stark machte. An der Börse muss sich die rheinische Frohnatur solche Ausbrüche verkneifen - zumindest öffentlich. "Zum ersten Mal werde ich mir überlegen müssen, was ich sage."
Hunold regiert Air Berlin autoritär, da darf ihm keiner reinreden. "Wenn ich sage, es macht Sinn, dann wird's gemacht." Vor Entscheidungen startet der 56-Jährige höchstens einen Rundruf bei seinen Gesellschaftern, darunter die Familie des US-Firmengründers Kim Lundgren. Hunold, ein Workaholic mit Hauptwohnsitz Düsseldorf, Nebenwohnsitz auf Mallorca und Dienstwohnung in Berlin, kontrolliert alles. Und wenn er es für richtig hält, mischt er sich in jeden Winkel des Tagesgeschäfts seiner mehr als 30 Tochtergesellschaften umfassenden Unternehmensfamilie ein.
Die ungeliebten Gewerkschaften hat sich Hunold mit einem Kunstgriff vom Leib gehalten. Vor dem Börsengang wandelte er die Airline in eine Aktiengesellschaft nach britischem Recht um. Das kennt keine Mitbestimmung, weshalb es bis heute keinen Betriebsrat gibt. "Warum soll ich meine Energie vergeuden und mich mit Gewerkschaften und Betriebsräten streiten?"
Hunold, der die damals marode Air Berlin 1991 von den Amerikanern übernahm und in 15 Jahren zur Nummer zwei hinter der Lufthansa ausbaute, hält seine Mitarbeiter kurz. Die Piloten fliegen länger als beim Marktführer, die Flugbegleiter werden schlechter bezahlt und müssen einen Teil der Ausbildungskosten selbst tragen, Freiflüge fürs Personal sind die Ausnahme. Dass ihm die Mitarbeiter nicht in Scharen davonlaufen, liegt vor allem am Chef selbst. "Der Achim", wie die Air Berliner ihren Chef nennen, sei launisch und stur, aber auch fair und herzlich. Legendär sind seine Betriebsfeiern zweimal jährlich, bei denen der leger gekleidete Chef schon mal bis in die frühen Morgenstunden Bier zapft.
Künftig muss sich Hunold, der stets betonte, er wolle nicht fremdbestimmt sein, den Zwängen des Kapitalmarktes unterwerfen. Eine erste Lektion musste er bereits vor dem nun für Donnerstag geplanten Börsengang lernen und auf Druck der Investoren seine Preisvorstellung nach unten korrigieren. Denn die zahlenverliebten Finanzexperten beeindruckt Hunolds hemdsärmelige Art wenig - sie sind vor allem an der Bilanz interessiert. Doch da hat sich Hunold bisher gar nicht gerne reinsehen lassen und sogar immer ein paar Flugzeuge unterschlagen, wie er kürzlich zugab. "Warum sollte ich anderen meine Zahlen zeigen? Die mache ich doch nur neidisch." Allerdings waren die Zahlen in den vergangenen zwei Jahren rot und nicht schwarz.
Dennoch: Für das, was Hunold in 15 Jahren aus Air Berlin gemacht hat, zollt ihm selbst die Konkurrenz Respekt. Doch es gab Zeiten, da klappte für den heutigen Vater von vier Kindern gar nichts. Eine Sportverletzung durchkreuzte seinen Traum, Pilot zu werden. Danach quälte er sich 20 Semester lang mit Jura, fiel durch die Prüfung und schmiss 1978 entnervt und ohne Abschluss das Studium.
Seinem Traum vom Fliegen näherte er sich von ganz unten. Hunold heuerte als Gepäckverlader am Düsseldorfer Flughafen an, wo er sich innerhalb weniger Jahre bis zum stellvertretenden Stationsleiter hochdiente. 1982 ging er als "Mädchen für alles" in die Verkaufsabteilung von LTU, wo er es in acht Jahren zum Marketingchef brachte. Als der gebürtige Düsseldorfer 1990 bei der Beförderung in den LTU-Vorstand übergangen wurde, kündigte er und übernahm ein Jahr später mit einer Handvoll Investoren Air Berlin. Dass LTU später in finanzielle Turbulenzen geriet und ihm zum Kauf angeboten wurde, mag Hunold als heimliche Genugtuung empfunden haben.
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