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BeitragVerfasst: Dienstag 22. August 2006, 09:56 
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„Bei uns muß niemand durch den Regen laufen“



In der vergangenen Woche hat Air Berlin mit Joachim Hunold an der Spitze die dba übernommen. Der Unternehmenschef erzählt über die zukünftige Strategie der Air Berlin, über höhere Personalkosten bei der dba und darüber, warum Geschäftskunden für die Airline so interessant geworden sind. Der Selfmademan ist ein Studienabbrecher mit steiler Karriere. Angefangen hat er als Be- und Entlader von Flugzeugen am Düsseldorfer Flughafen. Nach einem Abstecher zu LTU wagte er mit der Übernahme von Air Berlin den Sprung in die Selbständigkeit. Inzwischen ist sein Unternehmen börsennotiert.





Herr Hunold, kann sich Air Berlin die Übernahme der dba wirklich leisten?





Ja, selbstverständlich. Aus unserm Börsengang haben wir genügend Geld.





Damit wollten Sie doch die neu bestellten 60 Airbus 320 bezahlen.





Eine Teilfinanzierung dieser Flugzeuge war von vornherein gesichert, und zwar auch ohne den Erlös aus dem Börsengang. Sinn des Börsengangs war es aber auch, Geld zu haben für Möglichkeiten, die sich bieten.





Aber Sie haben den Anlegern nicht erzählt, daß Sie eine ganze Fluglinie kaufen werden.





Das wußte ich vor dem Börsengang auch noch nicht.





Wirklich? Bei Ihrem guten Draht zu Hans Rudolf Wöhrl . . .





Wöhrl und ich hatten die Möglichkeit eines Zusammengehens nie ausgeschlossen. Nur waren wir bislang noch nicht so weit, eine solche strategische Option auszuüben, zumal das bestimmte Management-Kapazitäten voraussetzt, die wir bisher jedenfalls nicht hatten. Als Wöhrl sich dann an der LTU beteiligt hat, war für mich das Thema im Grunde vom Tisch.





Und wann kam es neu auf den Tisch?





Als die Rewe die Put-Option für die 40 Prozent an der LTU ausgeübt hat. Wöhrl mußte LTU übernehmen, wodurch er bei zwei Airlines Mehrheitsgesellschafter wurde. Als er mir sagte, daß das vielleicht ein bißchen viel werden könne, sind wir wieder ins Gespräch gekommen. Die Chance, die sich damit bot, konnte sich Air Berlin nicht entgehen lassen.





Dann hätten Sie die LTU auch gleich übernehmen können.





Die LTU war nie ein Thema für uns. Denn wir setzen auf Mittelstrecken, nicht auf Langstrecken. Langstrecken können Sie nicht billig fliegen.





Warum denn nicht?





Weil das Konzept der Low-Cost-Carrier auf einem Kaufpreis basiert, der als niedrig empfunden wird. Kürzere Strecken können Sie für unter 70 oder 80 Euro fliegen. Die Leute denken dann: Fliegen kostet ja kaum noch etwas und kaufen Tickets. Lange Strecken sind zu diesen Preisen nicht zu fliegen, weil die Kerosinkosten immer stärker ins Gewicht fallen. Für diese Strecken müssen Sie 400 Euro nehmen. Und schon ist der gefühlte Kosteneffekt dahin. Auf langen Strecken funktioniert die Billigstrategie einfach nicht.





Beide, dba und Air Berlin, haben neue Flugzeuge bestellt. Bleibt es dabei?





Ja, klar. Wir haben derzeit 60 Festbestellungen bei Air Berlin. 25 Flugzeuge hat die dba bei Boeing bestellt und darüber hinaus noch Optionen auf 15 weitere Jets.





Luftfahrtexperten sehen schon heute Überkapazitäten und rechnen damit, daß die insgesamt bestellten Flugzeuge gar nicht alle gebraucht werden.





Das sehe ich anders. Tatsache ist, daß dieses Jahr kein Flugzeug auf dem Markt zu bekommen war. Eine unsere Maschinen ist durch einen Kofferwagenfahrer beschädigt worden und ausgefallen. Wir wollten für die ganze Saison noch ein Flugzeug dazuleasen, aber es war einfach keines zu bekommen. Der Markt ist leergefegt.





Wie groß wird Ihre Flotte denn im nächsten Jahr sein?





Die bestellten Flugzeuge können Sie nicht einfach zu unserem Bestand dazuzählen. Wir werden im Laufe der Zeit Teile unserer Flotte ersetzen und damit das Durchschnittsalter der Flugzeuge verringern . . .





. . . das heute bei wieviel Jahren liegt?





Bei viereinhalb - zumindest für Air Berlin. Die dba-Maschinen sind deutlich älter. Wir passen die Kapazität Jahr für Jahr der Marktentwicklung an. Daß wir so flexibel sein können, ist übrigens ein großer Vorteil.





Anders gefragt: Wie viele Flugzeuge wird Air Berlin zusammen mit der dba Ende 2007 haben?





Sie stellen die Frage ein bißchen früh, weil wir die Flugpläne noch nicht aufeinander abgestimmt haben. Unsere Planungen heute belaufen sich auf 71 Maschinen bei der Air Berlin.





Und bei der dba?





Das wird sich zeigen. Es kann sein, daß wir dort sogar Kapazität abbauen, wenn wir den Flugplan optimieren. Vielleicht legen wir auch neue Strecken auf. Rechnen Sie zu den 71 Flugzeugen der Air Berlin noch die 29 Maschinen von dba hinzu, dann wären wir Ende 2007 bei 100 Flugzeugen.





Haben Sie damit die kritische Größe erreicht, die ein europäischer Billigflieger braucht, um in dem riskanten Geschäft zu überleben?





Wir haben zumindest die kritische Größe, um profitabel zu sein - und zwar schon ohne die dba. Das haben wir dieses Jahr gezeigt. Durch die Akquisition wird das Ergebnis noch verbessert, weil wir von einem Mengenwachstum profitieren. Am europäischen Markt für Billigflieger haben wir jetzt mit der dba einen Marktanteil von fast 20 Prozent. Und natürlich werden wir weiter wachsen . . .





. . . um Easyjet und Ryanair anzugreifen oder sogar die Lufthansa.





Ich greife überhaupt niemanden an. Das habe ich noch nie gemacht und werde es auch nicht machen. Ich überlege mir eine eigene Strategie und fahre die.





Was unterscheidet Ihre Strategie denn von Ryanair und Easyjet?





Ganz einfach: Bei uns müssen Familien nicht als erste in die Flugzeuge stürmen, um sich Sitzplätze nebeneinander zu ergattern. Sie können sich Sitzplätze reservieren. Sie müssen auch nicht bei Regen übers Rollfeld laufen, um sich dann in nur notdürftig gereinigte Maschinen zu setzen. Sie bekommen etwas zu lesen, zu essen und zu trinken. Langer Rede Sinn: Wir haben ein ganz anderes Konzept, bieten den Flug mit Service an und zielen viel stärker auf die Geschäftseisenden ab . . .





. . . von denen Sie gerne noch mehr hätten.





Aber ja. Und noch eines: Anders als Ryanair oder Easyjet kooperieren wir auch mit den großen Reiseveranstaltern. Die machen 40 Prozent unseres Umsatzes aus. Und: Wir haben nicht nur das Internet und Call Center zu überteuerten Gebühren als Vertriebswege, sondern eben auch 13 000 Reisebüros.





Durch den Service und auch durch die Provisionen, die sie an die Reisebüros zahlen müsen, haben Sie deutlich höhere Kosten.





Das stimmt. Auf der anderen Seite bekommen wir durch unseren Mix an verschieden langen Strecken aufs Jahr gerechnet eine viel höhere Flugstundenzahl aus jeder Maschine als die anderen. Unsere Flugzeuge sind mit rund 4000 Flugstunden im Jahr zu 20 bis 25 Prozent mehr in der Luft als die der anderen Airlines. Das wiederum spart uns Kosten.





Noch mal zu den Geschäftskunden. Auf die setzen jetzt alle Fluglinien.





Wir auch.





Warum sind die so interessant?





Die buchen meist kurzfristig und zahlen deshalb mehr als die langfristiger disponierenden Privatreisenden.





Dann haben Sie die dba auch wegen ihres hohen Geschäftskundenanteils gekauft.





Um unseren Anteil an den Geschäftskunden zu steigern, was wir unbedingt wollen, ist die Übernahme der dba ideal. Aber eines muß ich auch sagen: Auf den Euro-Shuttle-Strecken der Air Berlin haben wir Geschäftskundenanteile von teilweise über 50 Prozent. Wenn ich allerdings die touristischen Strecken dazurechne, sinkt der Anteil natürlich.





Ist es schwierig, Geschäftskunden für Air Berlin zu gewinnen?





Manchen Unternehmen reichte ein Europa-Streckennetz nicht, um einen Vertrag abzuschließen. Die Unternehmen wollten immer auch Inlandsverkehr. Mit der dba haben wir den nun. Jetzt können wir zu den Firmen gehen und ihnen auch gute Raten anbieten.





Sie versprechen sich Einsparungen von 70 Millionen Euro durch die Übernahme der dba. Wo sollen die herkommen?





Aus der Optimierung der Flugauslastung zum Beispiel . . .





. . . vielleicht auch dadurch, daß Sie den Mitarbeitern von dba den Tarifvertrag streichen?





Das steht überhaupt nicht zur Diskussion. Die Vergütung ist ausschließlich Sache der Geschäftsführung der dba, die weiterhin eigenständig bleibt. Da mische ich mich nicht ein.





Herr Hunold, so nachsichtig sind Sie nicht wirklich.





Wir werden natürlich vergleichen, wo wir im Konzern die günstigsten Kostenpositionen haben und am günstigsten produzieren können. Und da wird dann eben auch das meiste Geschäft hingehen.





Sind die Personalkosten der dba höher als die von Air Berlin?





Ja.





Um wieviel?





Air Berlin hat einen Personalkostenanteil von rund 10 Prozent. Der von dba kann nicht direkt mit Air Berlin verglichen werden, weil 14 dba-Jets von Germania-Piloten mit Germania-Maschinen geflogen werden.





Was haben Sie eigentlich gegen Gewerkschaften?





Ich kann keine Gewerkschaft akzeptieren, die zu 85 Prozent aus Lufthansa-Piloten und Piloten von Lufthansa-Tochtergesellschaften besteht. Lufthansa ist ein Wettbewerber. Welches Interesse also sollten deren Piloten daran haben, daß es uns gutgeht?





Haben Sie schon mit den dba-Mitarbeitern gesprochen?





Nein, ich bin ja Gesellschafter und nicht die Geschäftsführung. Als Gesellschafter regiere ich nicht ins operative Geschäft hinein.





Sie sind Luftfahrtunternehmer. Wer von den großen Luftfahrtpionieren ist Ihr Vorbild?





Freddy Laker, der die Billigfliegerei erfunden hat, ist pleite gegangen. Falls Sie den meinen - der kann für mich kein Vorbild sein.





Und Richard Branson, der Gründer von Virgin Atlantic?





Der ist ein Marketing-Genie, aber kein Vorbild. Wenn Sie wissen wollen, wen ich sehr schätze und immer als Vorbild gesehen habe, dann sage ich Jürgen Weber . . .





. . . der kein Luftfahrtpionier war, sondern ein angestellter Manager.





Aber er hat die Lufthansa saniert und jahrelang geführt.





Herr Hunold, wann werden die grün-blauen Maschinen umgespritzt?





Bis zum 1. April nächsten Jahres. Jetzt aber ist erst einmal das Kartellamt am Zug.



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BeitragVerfasst: Dienstag 22. August 2006, 10:40 
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Aha, AB will die LTU also gar nicht! Dazu passend:



LTU-Chef auf der Suche nach Allianzen

Düsseldorf - Die Düsseldorfer Ferienfluggesellschaft LTU sieht sich nach der Übernahme der dba durch Air Berlin noch stärker als bisher zu Wachstum gezwungen.



LTU werde deshalb entweder eine Mehrheitsbeteiligung an einen Investor verkaufen oder mit einem Wettbewerber aus der Luftfahrt- oder Touristikbranche zusammengehen, sagte LTU-Miteigentümer und Geschäftsführer Jürgen Marbach. "Wir führen aussichtsreiche Gespräche mit Blick auf einen Einstieg eines finanzstarken Investors", sagte er. Eine weitere Möglichkeit sei der Zusammenschluss mit einem der deutschen Konkurrenten. An erster Stelle nannte Marbach die zum Touristikkonzern Thomas Cook gehörende Luftfahrtgesellschaft Condor. Auch Air Berlin und Hapagfly kämen als Partner in Frage. Gespräche über eine mögliche Partnerschaft gebe es aber noch nicht.



. Erst vor einem halben Jahr hatten dba und LTU eine Kooperation geschlossen, um Millionen zu sparen und der Lufthansa gemeinsam starke Konkurrenz zu machen.



rtr



Artikel erschienen am Di, 22. August 2006



http://www.welt.de/data/2006/08/22/1005827.html

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Ciao!


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