Konzern erscheint wohl führungslos auf der weltgrößten Luftfahrtmesse - Konkurrent Boeing gewinnt an Fahrt
von Wolfgang Ehrensberger
München - Auch am Wochenende vor dem Luft- und Raumfahrtsalon in Le Bourget bei Paris (13. bis 19. Juni) zeichnet sich entgegen allen Hoffnungen kein Ende der Führungskrise im EADS-Konzern ab. Zwar sind der Franzose Noël Forgeard und der Deutsche Thomas Enders als Führungsduo praktisch gesetzt. Und mit Gustav Humbert dürfte künftig wohl erstmals ein Deutscher den Flugzeugbauer Airbus führen.
Doch noch immer rangeln die Eigentümer - Daimler-Chrysler, der Lagardère-Konzern und der französische Staat - um Machtbefugnisse und um die Besetzung von Nebenpositionen. Mehr noch: Die Auseinandersetzung hat seit der Quasi-Nominierung von Humbert als Airbus-Chef an Schärfe zugenommen. Frankreich fürchtet um seinen Einfluß in dem multinationalen Gebilde, nachdem der Daimler-Chrysler-Konzern sich zuletzt ungewohnt deutlich dem Machtstreben des französischen Managements entgegengesetzt hat.
Möglicherweise wird die EADS wegen der ungelösten Führungsfrage auch die für Dienstag geplante Pressekonferenz absagen - es wäre der Gipfel der Peinlichkeit. "Ohne legitimierte Führung können wir doch nicht vor die Presse treten", lautet das Argument.
Dabei wäre gerade jetzt ein starker Auftritt des europäischen Branchenführers gefordert. So sollen für das Prestigeobjekt, den Großraum-Airbus A380, weitere Kunden gewonnen werden. Zuletzt sorgte der Riesenvogel jedoch für Negativ-Schlagzeilen, nachdem EADS Lieferverzögerungen von bis zu sechs Monaten einräumen mußte und die Kundschaft Vertragsstrafen einfordert.
Zudem droht der Subventionsstreit mit Wettbewerber Boeing neu aufzuflammen. Im direkten Konkurrenzkampf zwischen den beiden neuen Langstrecken-Flugzeugen Boeing 787 und Airbus A350 hat Boeing mit 266 Bestellungen die Nase vorn. Bei Airbus ist noch nicht einmal die Finanzierung geklärt.
Zudem hatte Finanzchef Hans-Peter Ring erst in der vergangenen Woche eingeräumt, daß der US-Konkurrent Boeing den europäischen Flugzeugbauer bei der Zahl der Flugzeugbestellungen in diesem Jahr erstmals seit fünf Jahren wieder überflügeln könnte.
Etwas positiver ist die Situation im EADS-Rüstungsgeschäft, das künftig deutlich ausgebaut werden soll. Doch auch hier droht man im direkten Konkurrenzkampf um Rüstungsaufträge in den USA gegenüber der amerikanischen Konkurrenz ins Hintertreffen zu geraten.
Insgesamt präsentieren in Le Bourget 1800 Aussteller aus 44 Ländern ihre Produkte, darunter mehr als 200 verschiedene Fluggeräte sowie Raketen und Satelliten. Vertreten ist unter anderem auch der ukrainische Flugzeughersteller Antonow. Aus Deutschland haben sich zu dem Branchentreffen mehr als 80 Unternehmen angesagt, 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Die meisten davon präsentieren sich auf dem Gemeinschaftsstand des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI). Einzelne Firmen wie MTU, Liebherr Aerospace oder EADS sind mit eigenen Ständen vertreten.
Nach Einschätzung von BDLI-Geschäftsführer Hans-Joachim Gante ist die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie eine der wenigen nachhaltig wachsenden Branchen in Deutschland. Der Branchenumsatz lag 2004 bei 16 Mrd. Euro. Rund 70 000 Mitarbeiter sind dort beschäftigt.
Auch der EADS-Konzern präsentierte zuletzt gute Zahlen. So nahm der Umsatz im ersten Quartal 2005 um 16 Prozent auf sieben Mrd. Euro zu. Das Betriebsergebnis verdreifachte sich auf 657 Mio. Euro und übertraf die Analystenerwartungen. Doch während der Aktienkurs des Konkurrenten Boeing seit Jahresbeginn um 25 Prozent zulegte, verharrte das EADS-Papier auf dem Ausgangsniveau.
Artikel erschienen am Sa, 11. Juni 2005
Quelle:
http://www.welt.de/data/2005/06/11/730521.html