Klimadebatte setzt Luftfahrtbranche unter Druck – Nur geringes Einsparpotenzial in herkömmlichen Maschinen
Paris – Mit gewaltigem Krach schraubt sich eine „Mig“ in den Himmel. Dann taumelt der Kampfjet plötzlich, segelt wie ein Blatt Papier herab, um sich über dem Boden zu fangen und mit kreischenden Triebwerken wieder durchzustarten. „Muss das sein“, fragt ein Besucher der Pariser Flugschau Le Bourget kopfschüttelnd. „Was für ein Irrsinn, völlig nutzlos, so viel C02 in die Luft zu pusten.“ Immerhin, zumindest ein paar Zuschauer auf der Pressetribune des Luftfahrtkonzerns EADS spenden Applaus für die Darbietung, die sich noch etwa zwanzig Mal wiederholt.
Doch der Trend ist deutlich spürbar: Immer häufiger werden die Show-Kämpfe mit Stirnrunzeln bedacht. Durch die Klimadebatte unter Druck geraten, haben auch die großen Flugzeugbauer die Umwelt als Thema entdeckt. In Paris streiten sie nicht nur um den Titel des Verkaufsweltmeisters, sondern auch um das größte Öko-Bewusstsein. „Der A380 ist das grünste Flugzeug am Himmel“, verkündet Airbus-Chef Louis Gallois. „Unser Dreamliner B787 verbraucht deutlich weniger“, kontert Boeing-Vize Mike Bair. Ob das mehr ist als Marketing, darüber sind die Experten uneins.
„Die Industrie wird zu Unrecht an den Pranger gestellt“, sagt Matthias Gründer vom führenden Branchenblatt „Flugrevue“ in einer Pause zwischen den Kampfjet-Starts. Tatsächlich ist der Luftverkehr nur für etwa drei Prozent der CO2-Emmissionen verantwortlich. „Und anders als die Autoindustrie tun die Luftfahrtunternehmen sehr viel, um den Verbrauch zu reduzieren.“ Nach Angaben des Triebwerksherstellers Rolls-Royce sind die neuesten Motoren im A380 und in der Boeing 787 um rund zehn Prozent sparsamer als die vor neun Jahren gebauten Maschinen. Eine EU-Richtlinie sieht eine Reduzierung bis 2020 von 15 Prozent gegenüber 1998 vor.
„Wir wollen die Vorgaben unterbieten“, erklärt Airbus-Chef Gallois in Paris. „Die Umwelt ist für uns eine der größten Herausforderungen.“ Sein Verkaufschef John Leahy rechnet vor, der A380 sei sparsamer als ein Auto. „Der Verbrauch pro Passagier auf hundert Kilometern liegt bei 2,9 Litern.“ Freilich nur, wenn 555 Passagiere in dem Superjumbo sitzen. Summiert ergibt sich damit ein Verbrauch von 1.600 Litern für hundert Kilometer. Die Grünen halten den Flieger daher für ein unverantwortbares Spritmonster.
Auch Boeings Bair wirft Airbus eine Milchmädchenrechnung vor. Die Amerikaner sind die ersten, die im kommenden Jahr einen weitgehend aus Kunststoff gefertigten Passagierjet auf den Markt bringen. Den Verbrauch pro Reisenden im Dreamliner 787 will Bair zwar nicht nennen. „Aber wir sind sparsamer“ sagt er.
Um die Maschinen leichter und damit effizienter zu machen, setzt auch Airbus bei seinem neuen A350 auf Kunststoff. Gewicht ist alles: Im A380 etwa sind Luftschächte aus Papier, sie wiegen fast nichts. Rumpfschalen aus Glasfaser und hauchdünne Aluminiumlegierungen, die Verwendung von Bronze statt des weit schwereren Titans, das sind Möglichkeiten zum Sparen, wie Experte Gründer erklärt. Bei den Triebwerken sei man weitgehend am Limit. „Hier sind nur noch minimale Effizienzsteigerungen möglich.“
Die Revolution kommt in Gestalt fliegender Geodreiecke
Treibende Kraft hinter den ganzen Anstrengungen sei aber nicht das Ökobewusstsein, sondern das Geschäft, sagt er. Gerade die oft an den Pranger gestellten Billigairlines wie Easy-Jet und German Wings setzten die Flugzeugbauer unter Druck. Sie wollen neue, sparsame Maschinen, weil die im Betrieb billiger sind. Dadurch sei es immerhin möglich, die CO2-Emissionen durch den Luftverkehr stabil zu halten, wenn sich die Flüge in den kommenden Jahrzehnten vervielfachen.
Eine echte Revolution stehe der Branche in etwa 20 Jahren bevor, prognostiziert er. Sie wird in Gestalt fliegender Geodreiecke daherkommen. Boeing hat schon ein Modell für ein so genanntes „Blended Wing Body“-Flugzeug, bei Airbus laufen Studien. Die Maschinen sind platt wie Flundern und sollen bis zu 1.500 Passagieren Platz bieten. Damit erreicht man von der Aerodynamik eine neue Dimension, nachdem die Gestalt der Flugzeuge seit den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts weitgehend die gleiche geblieben ist. Und wegen der hohen Zahl der Passagiere wird der Verbrauch pro Kopf drastisch sinken.
Die größte Herausforderung wird dann auf die Reisenden zukommen: „Wenn sich so eine Maschine in die Kurve legt, sieht man seinen Nachbarn auf der gegenüberliegenden Seite hundert Meter über sich“, sagt Gründer. (AP)
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